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Diesel-Gipfel: Erste Vereinbarungen
Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Umwelt und zur Verhinderung von Fahrverboten beschlossen / Kontroverse um Wirksamkeit

RobGal

Während das „Nationale Forum Diesel“ auf Einladung der Bundesregierung Anfang August in Berlin tagte, pendelte darüber das Damoklesschwert des Stuttgarter Urteils. Das Verwaltungsgericht hatte in der Woche zuvor entschieden, dass die Pläne der grün-schwarzen Landesregierung von Baden-Württemberg nicht ausreichen, um die von Stickoxiden (NOx) und Feinstaub stark belasteten Luft der Landeshauptstadt ausreichend zu verbessern.
Der Gesundheitsschutz sei höher zu bewerten als die Interessen der Dieselfahrer, so das Gericht. Es hält die von der Landesregierung geplanten Fahrverbote für nicht wirksam genug. Zudem dürfe sich die Regierung nicht auf die Zusagen der Autoindustrie verlassen, zum Beispiel über Softwareanpassungen. Das richterliche Urteil ist hart: Nur Fahrverbote könnten helfen. Die halten die Stuttgarter Richter auch im größeren Umfang für rechtlich möglich – was von der Bundesregierung zuletzt bestritten wurde (wir berichteten). Damit sind Fahrverbote immer noch auf dem Tisch, obwohl Industrie und Staat sie weghaben wollen. Der Druck auf dem „Diesel-Gipfel“ lastete umso schwerer durch die Tatsache, dass die Autohersteller jahrelang Fahrzeuge auf die Straßen brachten, die deutlich mehr Schadstoffe ausstoßen, als rechtlich erlaubt und gegenüber Käufern und Öffentlichkeit versprochen. Nun machen Umwelt- und Verbraucherschützer der öffentlichen Hand den Vorwurf, in der Vergangenheit zu moderat mit den Autoherstellern umgegangen zu sein. Aus der SPD ergeht an die Adresse von CDU und CSU der Vorwurf der „Kumpanei“.

An dem „Nationalen Forum Diesel“, dessen Gastgeber Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) waren, nahmen die Vorsitzenden der größten deutschen Autohersteller, weitere Bundesminister, mehrere Ministerpräsidenten und Bürgermeister sowie Vertreter der Arbeitgeber-, Arbeitnehmer- und Branchenverbände teil, insgesamt 30 hochrangige Personen aus Politik und Wirtschaft. Verbraucherschützer und Umweltverbände waren nicht eingeladen. Beschlossen wurde vorerst: Von den 8,4 Millionen Dieselautos der Abgasstufe Euro V und VI, die sich insgesamt auf den Straßen befinden, sollen ab sofort 5,4 Millionen durch eine Softwareaktualisierung umgerüstet werden, davon 2,5 Millionen von Volkswagen. Beteiligt sind daran außerdem BMW, Daimler und Opel. Von den Importeuren gibt es dazu noch keine Zusage.

Laut Verband der Automobilindustrie (VDA) werden die Fahrzeuge nach der Umrüstung jeweils ein Viertel bis ein Drittel weniger schädliches Stickoxid ausstoßen. Die Autobauer versichern, dass dadurch weder Motorleistung noch Verbrauch oder Lebensdauer beeinträchtigt würden. Sie übernehmen auch die Kosten, die der VDA alles in allem auf 500 Millionen Euro beziffert.

Außerdem wurde eine Art Abwrackprämie in Aussicht genommen, die von den Herstellern angeboten wird. Demnach könnten Besitzer von Dieselfahrzeugen mit der Abgasnorm Euro IV oder älter bis zu 2.000 Euro erhalten, wenn sie im Gegenzug ein Euro-VI-Dieselauto, einen Plug-in-Hybrid oder ein Elektrofahrzeug kaufen. Erste Hersteller haben bereits Angebote vorgelegt. Darüber hinaus wurde ein Fonds in Höhe von 500 Millionen Euro vereinbart, mit dem nachhaltige Mobilitätskonzepte zur Entlastung der Städte gefördert werden sollen. Die größte Summe dafür soll von den Autokonzernen erbracht werden.

In welchem Umfang weitere Umrüstungen vorgenommen werden, ist zwischen Industrie und Politik umstritten und soll in gesonderten Arbeitsgruppen geklärt werden. Insgesamt sollen vier Themenbereiche behandelt werden, nämlich „Emissionsreduzierung in den im Verkehr befindlichen Fahrzeugen“, „Verkehrslenkung, Digitalisierung und Vernetzung“, „Umstieg öffentlicher Fahrzeugflotten auf emissionsarme Mobilität“ sowie „Optimierung von Antriebstechnologien und alternative Kraftstoffe“. Hierzu will man auch Vertreter von Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen bitten.

Umweltverbände äußern sich nach dem Gipfel skeptisch. Sie bezweifeln, dass die beschlossenen Maßnahmen für den Schutz der Gesundheit und der Umwelt ausreichen, weil die Schadstoffbelastungen in den Städten teils über dem Doppelten des Grenzwerts liegen. Sie kritisieren, dass die Softwareaktualisierungen nur willig sind und fordern Umrüstungen auch an den Bauteilen des Motors, was von der Industrie als zu teuer abgelehnt wird. Zudem wird die Zusicherung in Frage gestellt, dass die Umrüstung keine Beeinträchtigung in anderen Bereichen des Autos zur Folge haben werde.

Auch von politischer Seite ist man mit dem Ergebnis des Gipfels nicht unbedingt zufrieden. Umweltministerin Hendricks ist der Auffassung, dass es der Autoindustrie an „Demut und Einsicht“ mangele. Die Resultate seien nicht ausreichend. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bekundete, dass die Politik es sich vorbehalte, bei den Vereinbarungen nachzujustieren, und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht in den Ergebnissen lediglich einen „ersten Schritt“.

Die Öffentlichkeit ist sensibel geworden, die Ergebnisse sollten wirksam sein.
Quellen
    • Text: Olaf Walther (Kb)
    • Foto: julvektoria - Fotolia.com