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Motorenentwicklung: Zulieferer auf Teufelsjagd
Um Diesel- und Benzinmotoren weiter und weiter zu verbessern, drehen die Autozulieferer mit hohem Aufwand auch noch das letzte Nanopartikel um / Innovationen von Rheinmetall zur IAA

RobGal

Für Automobilzulieferer steckt der Teufel im Detail. Bis in die Nanostruktur der Materie hinein werden die konventionellen Konzepte auf Verbesserungsmöglichkeiten abgeklopft. Downsizing, Leichtbau, innermotorische Reibung, Abgasreinigung, Thermomanagement, Elektrifizierung lauten die ersten Stichworte einer langen Liste der Ingenieurskunst.
Der Autozulieferer Rheinmetall öffnete für Journalisten die Türen seiner Werkstätten, um zu zeigen, was er zur Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September Neues zu präsentieren hat bei der Jagd nach dem Teufel im Detail.

Den meisten Reibungsverlust im Motor gibt es bei den Kolben. Umso mehr, als die Hybridisierung neue Anforderungen an die Triebwerke stellt, allein durch den Umstand, dass die Zahl der Start-Stopp-Vorgänge innerhalb eines Autolebens von 400.000 auf über eine Million ansteigt. Also müssen Kurbelwellenlager verschleißfester gemacht werden, zumal die zunehmende Verwendung von leichtflüssigem Motoröl, insbesondere unter Belastung oder Hitze, die Gefahr erhöht, dass der Ölfilm in den Pleuellagern abreißt, was in der Folge die Teile schädigen kann. Dagegen hat Rheinmetall eine neue Polymerlagergeneration entworfen, die robuster gegen Verschleiß ist und gleichzeitig die Reibung mindert.

Rheinmetall bietet auch gleich eine neue Kolbengeneration für Ottomotoren an, Liteks-4 genannt. Die Kolbengrundstruktur und die Laufspielformgebung wurden verbessert, dabei kommt auch die von Rheinmetall entwickelte Schaftbeschichtung „Nanofriks“ zum Einsatz: „Sie besteht aus einer Kombination aus Nanopartikeln, Bindemittel, Festschmierstoff und Additiven“, erklärt der Zulieferer. Das Ergebnis: Die Reibleistung des neuen Liteks-Kolben, der zehn Prozent weniger wiegt, reduziert sich unter Volllast laut Rheinmetall um bis zu 28 Prozent, bei eigenen Messungen auf dem Prüfstand ging die CO2-Emission um 1,7 Prozent zurück.

Katalysatoren müssen sehr heiß sein, damit sie die Abgase unter Beifügung von Sauerstoff aus der Luft zu mehr oder weniger schadlosen Gasen verwandeln können. Je früher der Kat bei einem Kaltstart des Motors seine Temperatur erreicht, umso eher kann er seine Reinigungsfunktion erfüllen, was gesetzlich immer früher gefordert wird. Dabei muss das Verhältnis von Kraftstoff zu Sauerstoff ziemlich genau und stabil sein, sonst wird das Gemisch zu mager oder zu fett, und die Reinigung wird nichts. Bislang wurden ungeregelte Gebläse eingesetzt, die eine bestimmte Menge Luft konstant besorgen – aber eben mit dem Risiko, dass das Gemisch bei Niedrig- oder Volllast nicht mehr stimmt. Rheinmetall bietet nun ein Gebläse mit steuerbarem Motor an, damit der Kat bedarfsgerecht die erforderliche Luftmasse erhält und die Emissionen möglichst über den gesamten Bereich der Motorleistung reduziert werden – was für Abgastests unter realen Bedingungen (RDE) sicherlich von Vorteil sein wird. Das System ist auch in der Lage, Partikelfilter von Ottomotoren durch gezieltes Temperatur- und Sauerstoffmanagement zu reinigen, falls die Selbstreinigung wegen sehr kalter Außentemperaturen oder weil der Wagen lange Zeit langsam gefahren ist, nicht aktiv wurde.

Drosselklappe aus Kunststoff

Speziell für Euro-VI-Fahrzeuge will Rheinmetall die herkömmliche Drosselklappe mit Aluminiumlegierung durch eine aus Kunststoff ersetzen. Rheinmetall verwendet dazu widerstandsfähiges Material, das Gehäuse und Klappe gegen Korrosion und Alterung schützt, so dass die Klappe auch in kritischen Phasen genutzt werden kann, weil aggressives Abgaskondensat und Gase abgewiesen werden. Dadurch entfalle die teure Metalllegierung, außerdem könnten sich Rußpartikel, Ölschlamm oder Eis nicht mehr ablagern, sagt Rheinmetall, die Klappe verklemme weniger leicht. Die mit einem kleinen Elektromotor betriebene Drosselkappe ist auf die gestiegenen Anforderungen der Hybridisierung mit häufigen Start-Stopp-Zyklen ausgelegt.

Rheinmetall geht davon aus, dass sich bei den Elektroautos das Konzept der Unterflurbatterie durchsetzen wird. Das lasse sich gut in die Fahrzeugstruktur einbinden, sei günstig bei der Gewichtsverteilung des Wagens und beeinträchtige nicht das Ladevolumen des Autos. Daher spielt Rheinmetall seine Stärke bei der Aluminiumverarbeitung aus und entwickelt Batteriepacks aus dem leichten Metall. „Sie verfügen über eine eigene Kühlung und werden durch eine Faserverbundstruktur vor Intrusion geschützt“, entwickelt mit Unterstützung von Rheinmetalls Militärsparte. Das Produkt sei sehr leicht, brauche wenig Platz und lasse sich flexibel im Autobau verwenden.

Die Gesetzgeber weltweit achten verstärkt auf die schädlichen Kraftstoffdämpfe, die aus dem Tank entweichen. Um sie aufzufangen, werden in der Regel Aktivkohlebehälter eingesetzt. Sie binden die Dämpfe, bis sie verbrannt werden. Allerdings ist ihre Kapazität begrenzt, und daher muss regelmäßig Frischluft zugeführt werden, um Sättigung zu vermeiden. Ein Ventil sorgt dafür, dass die Dämpfe ihren Weg in den Einlasskrümmer oder in die Strömungsrichtung des Turboladers finden. „In der Vergangenheit reichte das Vakuum, das beim Ansaugen der Frischluft im Motor entstand, um die Kraftstoffdämpfe in den Motor zu ziehen und gleichzeitig frische Luft in den Aktivkohlebehälter gelangen zu lassen“, erläutert Rheinmetall. Doch heutige Motoren haben keine ausreichende Vakuumversorgung. Daher bietet der Zulieferer aus Neckarsulm eine elektrische Pumpe an. Die ist auch bei geschlossenem Ventil kräftig genug und läuft zudem schnell an. Kunststoff macht das Gerät leicht, ein Drucksensor zeigt zur Kontrolle der Lecksicherheit den Systemdruck an.
Die Automobilsparte von Rheinmetall hieß bis letztes Jahr KSPG und davor Kolbenschmidt-Pierburg. Der Name der Muttergesellschaft ist der Öffentlichkeit eigentlich von der Militärsparte des Konzerns bekannt. Beide Bereiche, der automobile und der militärisch, waren bis zur Namensänderung auch in der technologischen Entwicklung säuberlich voneinander getrennt. Der gemeinsame Name soll Rheinmetall nun als Technologieunternehmen ausweisen. Um dem unangenehmen Eindruck zu begegnen, den der Konzernname bei zivilen Kunden, Forschungs- und Geschäftspartnern und in der Öffentlichkeit möglicherweise hinterlassen könnte, plant der Vorstand eine Image-Kampagne. Sie soll Rheinmetall als verantwortungsbewusstes Unternehmen ausweisen, das sich um den Schutz der Umwelt und für den militärischen Schutz kümmert. Wirtschaftliche Synergieeffekte sind durch die begonnene Zusammenarbeit der zivilen und der militärischen Sparte eingeschlossen.
Quellen
    • Text: Kristian Glaser (Kb)
    • Foto: Maksym Yemelyanov – Fotolia.com