AG Dorsten urteilt zu den zu ersetzenden Stundenverrechnungssätzen bei fiktiver SchadensabrechnungAG Dorsten Urteil vom 19.9.2017 – 3 C 94/17 –
Die zulässige Klage ist begründet. Die Ansicht der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht auf die von der Versicherung aufgezeigte günstigere Reparatur in der Alternativwerkstatt verweisen lassen müsse, ist rechtsirrig. Der Kläger hat vielmehr Anspruch auf den von der Kfz-Haftpflichtversicherung gekürzten weiteren Netto-Reparaturkostenbetrag von 184,05 € aus den §§ 7, 17 StVG, 115 VVH, 249 BGB. Da die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten unstreitig ist, ist lediglich über die Frage zu entscheiden, ob sich der Kläger als Geschädigter bei einer fiktiven Schadensabrechnung im Rahmen der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 BGB auf die von der Beklagten in Bezug genommene Alternativwerkstatt verweisen lassen muss. Das erkennende Gericht verneint diese Frage. Denn Ziel des Schadensersatzes ist die Totalrestitution. Allerdings ist der Geschädigte im Rahmen der ihn treffenden Schadensgeringhaltungspflicht gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, wenn er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei genügt es jedoch im Allgemeinen, wenn er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet.
Die Schadensrestitution darf nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt werden (BGH VersR 2003, 920; OLG München Urt. v. 13.9.2013 – 10 U 859/13 -). Auch bei der fiktiven Schadensabrechnung ist der Geschädigte in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei (BGH NJW 2005, 1108). Diesen Grundsätzen und der dem Geschädigten grundsätzlich eingeräumten Dispositionsfreiheit widerspräche es, wenn sich der Geschädigte bei fiktiver Schadensabrechnung auf die Stundensätze der von der eintrittspflichtigen Kfz-Versicherung ausgesuchten Alternativwerkstatt verweisen lassen müsste. Der Reparaturkalkulation des vom Kläger beauftragten Sachverständigen liegen durchschnittliche Stundensätze einer freien Werkstatt in Dorsten zu Grunde. Es waren also gerade keine Preise einer markengebundenen Fachwerkstatt kalkuliert. Da der Kläger diese im Gutachten aufgeführten Preise seiner Schadensabrechnung zugrunde gelegt hat, hat er auch nicht gegen die Schadensgeringhaltungspflicht verstoßen (vgl. AG Gelsenkirchen Urt. v. 14.2.2017 – 201 C 177/16 -; OLG München aaO.). Ein Verweis auf eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer anderen freien Werkstatt würde die Dispositionsfreiheit des Geschädigten in unzulässiger Weise einschränken.
Fazit und Praxishinweis: Das angerufene Gericht musste lediglich die Frage beantworten, ob sich der Geschädigte, der seiner Schadensabrechnung bereits Stundensätze einer freien Werkstatt zugrunde gelegt hatte, sich auf eine von der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung benannten noch günstigeren freien Werkstatt verweisen lassen muss. Zu Recht hat das Gericht betont, dass der Geschädigte aufgrund der ihm eingeräumten Dispositionsfreiheit nicht gehalten ist, sich auf noch günstigere Stundensätze verweisen zu lassen. Grundsätzlich hat der Geschädigte eines noch nicht drei Jahre alten Kraftfahrzeugs Anspruch auf die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt (vgl. BGH VersR 2003, 920; BGH VersR 2010, 225 Ls. a); BGH VersR 2010, 1096 Ls. a)).