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Wer rücksichtslos und plötzlich die Fahrertür eines geparkten Fahrzeugs öffnet, haftet für Unfallfolgen alleine
LG Saarbrücken Hinweisbeschluss vom 12.9.2017 – 13 S 69/17 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Nicht selten ereignen sich Verkehrsunfälle dadurch, dass die Fahrertür eines geparkten Fahrzeugs plötzlich geöffnet wird und ein vorbeifahrender Verkehrsteilnehmer, sei es ein Radfahrer, sei es ein Autofahrer dadurch geschädigt wird. Häufig ist von dem anderen Verkehrsteilnehmer dann auch der seitliche Abstand nicht eingehalten worden, so dass in der Regel eine Haftungsverteilung vorzunehmen ist.
In dem vom LG Saarbrücken im Berufungsverfahren zu entscheidenden Rechtsstreit betrug der Abstand etwa 80 Zentimeter. Gleichwohl nahm die Berufungskammer keine Haftungsverteilung vor, sondern gab dem parkenden Kraftfahrzeugführer, der plötzlich und rücksichtslos die Fahrertür öffnete, die alleinige Schuld am Zustandekommen des Verkehrsunfalls.

Der später beklagte Kraftfahrzeugführer hatte seinen Pkw auf einer etwa 7 Meter breiten Straße leicht schräg abgestellt. Ein anderes Personenkraftfahrzeug befuhr diese Straße mit ordnungsgemäßer Geschwindigkeit und einem Seitenabstand von etwa 80 cm.Als das Fahrzeug etwa in Höhe des geparkten Fahrzeugs war, öffnete der parkende Kfz-Führer seine Fahrertür etwa 90 cm weit. Es kam zur Kollision mit dem vorbeifahrenden Fahrzeug. Der vorbeifahrende Autofahrer verlangt von dem parkenden Kfz-Eigentümer Ersatz des ihm entstandenen Fahrzeugschadens. Das zunächst angerufene Amtsgericht sah in dem plötzlichen Öffnen der Fahrzeugtür die alleinige Ursache für das Zustandekommen des Verkehrsunfalls. Gegen das erstinstanzliche Urteil wurde Berufung eingelegt. Diese hatte bei dem LG Saarbrücken keinen Erfolg. Die Berufungskammer wies den beklagten parkenden Kraftfahrer mit Hinweisbeschluss vom 12.9.2017 darauf hin, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg verspricht.

Die Berufung hat aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, auf die die Berufungskammer im Einzelnen Bezug nimmt, keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung. Insbesondere ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht eine alleinige Haftung des parkenden Kraftfahrers angenommen hat. Zu Recht hat das Amtsgericht eine Verletzung des § 14 I StVO bei dem parkenden Kraftfahrer festgestellt, als dieser die Fahrertür öffnete. Nach § 14 I StVO muss, wer ein- oder aussteigt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Kommt es dennoch zu einem Unfall, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des ein- oder aussteigenden Kraftfahrers (vgl. BGH VersR 2009, 1641; OLG Köln VersR 2015, 999). Diesen Anscheinsbeweis hat der beklagte Kraftfahrer nicht entkräften können. Immerhin war die Fahrertür etwa 90 cm weit geöffnet. Das hat die Beweisaufnahme ergeben.

Ohne Erfolg wendet sich die Berufung auch gegen die Annahme des Amtsgerichts, wonach auch ein Mitverschulden des klagenden Autofahrers vorläge, weil dieser den ausreichenden Sicherheitsabstand nicht eingehalten habe. Wer an einem stehenden Fahrzeug vorbeifährt, muss nach dem allgemeinen Gebot der Gefährdungsvermeidung nach § 1 II StVO einen angemessenen Seitenabstand einhalten. Was angemessen ist, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es gibt kein feststehendes Maß. Der beim Vorbeifahren einzuhaltende Seitenabstand darf nach den Umständen des Einzelfalles durchaus geringer sein als beim Überholen oder beim Begegnen von zwei Fahrzeugen. Hier wird ein Mindestabstand von 1 Meter verlangt (vgl. OLG Köln Beschl. v. 10.7.2014 – I-19 U 57/14 -). Im zu entscheidenden Fall war nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen die Fahrertür im Zeitpunkt der Kollision 85 bis 90 cm weit geöffnet. Der Seitenabstand betrug 80 cm. Ein Abstand von rund 80 cm erscheint auch angesichts der Breite der Straße von rund 7 Metern umständehalber noch angemessen. Nach den Feststellungen des Gerichtssachverständigen wurde die Fahrertür so plötzlich und unvorhersehbar geöffnet, dass dem Verbeifahrenden keine Zeit mehr verblieb, sich darauf einzustellen. Vielmehr ist der Verkehrsunfall darauf zurückzuführen, dass ohne Rückschau die Fahrertür plötzlich und rücksichtslos geöffnet wurde. Selbst ein Mitverschulden des Vorbeifahrenden würde hinter dem groben Verschulden des parkenden Autofahrers zurücktreten.

Fazit und Praxishinweis: Wer als am Fahrbahnrand parkender Autofahrer plötzlich und rücksichtslos die Fahrertür öffnet, dass es auch bei Einhaltung des Seitenabstands eines vorbeifahrenden Fahrzeugs zur Kollision kommt, der muss mit seiner Alleinhaftung am Zustandekommen des Verkehrsunfalls rechnen. Zwar gibt es keine feste Grenze für den Seitenabstand, der beim Vorbeifahren an einem geparkten Fahrzeug gilt. Beim Begegnungsverkehr gilt grundsätzlich ein Seitenabstand von etwa 1 Meter. Es kommt beim Vorbeifahren an einem geparkten Fahrzeug aber immer auf den Einzelfall an.
Quellen
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