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AG Halle an der Saale entscheidet im Restwertregress zugunsten des Kfz-Sachverständigen
AG Halle an der Saale Urteil vom 23.11.2017 – 104 C 3647/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

In jüngster Zeit greifen die eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherungen immer häufiger die vom Kfz-Sachverständigen ermittelten Restwerte an, den der Geschädigte nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall zur Erstellung des Schadensgutachtens hinzugezogen hat. Sie beziehen sich dann dabei auf Restwertangebote aus dem Internet. Diesen Sondermarkt muss der Geschädigte grundsätzlich nicht beachten. Auch der vom Geschädigten hinzugezogene Kfz-Sachverständige ist grundsätzlich gehalten, lediglich die örtlichen Restwertangebote seiner Ermittlung zugrunde zu legen. Maßgeblich sind seit der BGH-Entscheidung vom 13.1.2009 – VI ZR 205/08 – die Restwerte auf dem allgemeinen regionalen Markt.
Am 19.10.2013 ereignete sich ein Verkehrsunfall, für den die später regulierende Kfz-Haftpflichtversicherung zu einhundert Prozent haftete. Nach dem Unfall beauftragte die Geschädigte den qualifizierten Kfz-Sachverständigen H.. Am 22.10.2013 stellte der beauftragte Sachverständige an dem verunfallten Fahrzeug der Geschädigten einen wirtschaftlichen Totalschaden fest. Den Restwert bestimmte er mit 350,-- €. Zu diesem betrag veräußerte die Geschädigte das verunfallte Fahrzeug. Die eintrittspflichtige Kfz-Haftpflichtversicherung ist der Ansicht, der Sachverständige habe den Restwert falsch ermittelt. Sie nimmt dabei Bezug auf ein von ihr beauftragtes Gutachten, in dem vier Restwertangebote aus dem Internet enthalten waren, die zwischen 1700,-- € und 2320,-- € lagen. Sie klagt daher gegen den Sachverständigen auf Zahlung des ihr entstandenen Schadens in Höhe des Differenzbetrages im Wege des Restwertregresses ein. Die klage vor dem Amtsgericht Galle an der Saale blieb ohne Erfolg.

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die klagende Kfz-Haftpflichtversicherung hat keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gegenüber dem beklagten Kfz-Sachverständigen. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass sie in den Schutzbereich des zwischen dem Sachverständigen und der Geschädigten geschlossenen Werkvertrag einbezogen ist. Sie kann daher auch Schadensersatz beanspruchen, wenn der Sachverständige schuldhaft gegen ihn treffende vertragliche Verpflichtungen verstoßen hat. Die klagende Kfz-Haftpflichtversicherung behauptet zwar, dass der beklagte Kfz-Sachverständige den Restwert des verunfallten Fahrzeugs schuldhaft unzutreffend ermittelt habe, weil er einen zu niedrigen Restwert angegeben habe. Allerdings sind die von der Klägerin vorgebrachten Restwertangebote aus dem Internet für den hier festzustellenden Restwert unerheblich.

Für die Feststellung des Restwertes eines verunfallten Fahrzeugs ist nämlich nur der regionale Markt maßgeblich. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass dem Geschädigten es möglich sein muss, sein Fahrzeug einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler bei dem Erwerb eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung zu geben. Das erkennende Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH, wonach sich ein Geschädigter nicht auf den Internetsondermarkt verweisen lassen muss (vgl. BGH VI ZR 673/15). Die von der Klägerin vorgebrachten Restwertgebote sind allesamt nicht vom regionalen Markt. Da der beklagte sachverständige entsprechend der BGH-Rechtsprechung seiner Restwertermittlung nur die regionalen Restwerte zugrunde gelegt hat, hat er sich völlig korrekt verhalten. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt nicht vor. Die Klage war daher abzuweisen.

Fazit und Praxishinweis: Bei der Ermittlung des Restwertes sind ausschließlich die Restwertgebote des allgemein zugänglichen regionalen Marktes zu berücksichtigen. Der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, im Internetsondermarkt nach höheren Restwerten zu forschen. Daher ist auch für den vom Geschädigten hinzugezogenen Kfz-Sachverständigen regelmäßig nur der allgemeine regionale Markt maßgeblich (vgl. BGH VI ZR 205/08; BGH VI ZR 673/15).
Quellen
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