Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

Rückstufungsschaden in der Kaskoversicherung ist auch bei Mitverschulden im Haftpflichtfall zu erstatten
BGH – VI. Zivilsenat – Urteil vom 19.12.2017 – VI ZR 577/16 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

Wird ein vollkaskoversichertes Kraftfahrzeug in einen Verkehrsunfall verwickelt, so stellt sich häufig die Frage, was passiert mit dem Schaden, der dem Geschädigten dadurch entsteht, dass die Vollkaskoversicherungsprämie nach Inanspruchnahme der Kaskoversicherung erhöht wird. Haftet der Schädiger in vollem Umfang, ist die Frage einfach zu beantworten: Der Höherstufungsschaden ist vom Schädiger und dessen Kfz- Haftpflichtversicherer zu erstatten.
Wie ist aber die Situation, wenn der Geschädigte an dem Zustandekommen des Verkehrsunfalles eine Mitschuld trägt? Diese Frage hatte nun der für Schadensersatz zuständige VI. Zivilsenat des BGH zu klären. Der VI. Zivilsenat blieb bei seiner Entscheidung bei der bisherigen Rechtsprechung und bestätigte seine Entscheidung vom 18.1.1966 – VI ZR 147/64 -, veröffentlicht in BGHZ 44, 382 ff.).

Am 17.4.2014 ereignete sich ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw der späteren Klägerin erheblich beschädigt wurde. Es entstand an ihrem Fahrzeug ein Sachschaden von insgesamt 10.408,52 €. Die hinter der beklagten Fahrerin stehende Kfz-Haftpflichtversicherung regulierte vorgerichtlich den schaden zu 75 Prozent. Sie nahm ein Mitverschulden der Geschädigten von 25 % an. Wegen des verbleibenden Restbetrages nahm die Geschädigte ihre Vollkaskoversicherung in Anspruch. Nach der Inanspruchnahme der eigenen Vollkaskoversicherung beansprucht die Geschädigte jetzt noch die Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall und der damit zusammenhängenden Prämienerhöhung entstanden ist. Das Amtsgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 4.12.2015 – 14 C 3760/14 – die Klage abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung wurde durch das Landgericht Heilbronn mit Urteil vom 14.11.2016 – 5 S 49/15 (II) – zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter. Die Revision führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung an das Landgericht Heilbronn.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, nach der im Falle eines Mitverschuldens am Unfall der Rückstufungsschaden in der in Anspruch genommenen eigenen Vollkaskoversicherung vom Unfallgegner nicht zu ersetzen sei, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des VI. Zivilsenates ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (vgl. BGHZ 44, 382, 387; BGH VersR. 2006, 1139; BGH VersR. 2007, 81 Rn. 8; ebenso BGH VersR. 1976, 1066, 1067). Die Frage, ob der Schädiger auch bei nur anteiliger Schadensverursachung für den Rückstufungsschaden haftet, hat der erkennende VI. Zivilsenat mit dem Urteil vom 25.4.2006 – VI ZR 36/05 – (= VersR 2006, 1139) und vom 26.9.2006 – VI ZR 247/05 – (= VersR 2007, 81 Rn. 8) bereits bejaht. Dieser Grundsatz gilt auch dann, wenn der rückstufungsschaden auch infolge der Regulierung des vom Geschädigten selbst zu tragenden Schadensanteils eintritt. Das folgt aus dem Grundsatz, dass eine Mitverursachung einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht (vgl. BGH VersR 1999, 862; BGH VersR 2000, 1282; BGH VersR 2002, 200, 201; BGH VersR 2005, 945, 946; BGH VersR 2006, 1139 Rn. 10; BGH VersR 2007, 81 Rn. 8). Soweit das Berufungsgericht der Ansicht war, der vorliegende Fall sei deshalb anders zu bewerten, weil im Gegensatz zu den vom erkennenden Senat bereits entschiedenen Fällen die Klägerin ihre Vollkaskoversicherung erst nach Regulierung des eintrittspflichtigen Haftpflichtversicherers ihrer Unfallgegnerin nur hinsichtlich des von ihr selbst zu tragenden Schadensteils und damit nicht auch zusätzlich in Anspruch genommen habe, ist dem nicht zu folgen.

Für die Ersatzfähigkeit des Rückstufungsschadens ist es unerheblich, ob der Geschädigte die Regulierung des Haftpflichtversicherers seines Unfallgegners für dessen Haftungsanteil abwartet und sich erst dann an seinen Kaskoversicherer wendet oder ob er dies sogleich hinsichtlich des Gesamtschadens tut und danach der Schaden quotenmäßig ausgeglichen wird. In beiden Fällen tritt der Rückstufungsschaden ein mit der Folge, dass in derartigen Fällen der Rückstufungsschaden vom Schädiger unabhängig von dessen Regulierungsverhalten regelmäßig anteilig zu ersetzen ist (BGH VersR 2007, 81 Rn. 10 mwN.). Die Ersatzfähigkeit des Rückstufungsschadens kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass dieser nur im Hinblick auf den eigenen Haftungsanteil eingetreten sei. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung tritt allein bereits dadurch ein, dass Versicherungsleistungen aus der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden. Kommt es zu einer Haftungsquotelung, so ist der Rückstufungsschaden wie jeder andere Schaden auch nach den hierfür geltenden regeln zu quotieren. Im Gegensatz zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher rechtsanwaltskosten des Geschädigten für die Inanspruchnahme seiner Kfz-Kaskoversicherung nur im Hinblick auf den ihm selbst verbleibenden schadensteil ( siehe hierzu: BGH NJW 2017, 3527) ist beim Kaskorückführungsschaden keine Abgrenzung über die Zurechnung vorzunehmen, denn der unfallbedingte Rückstufungsschaden tritt nach den Allgemeinen Bedingungen der Kfz-Versicherung (AKB) insgesamt abhängig vom Schadensfall und unabhängig von der Regulierungshöhe ein. Soweit das Berufungsgericht gegen das Ergebnis Bedenken äußert, weil der Unfallgegner per Saldo höhere Kosten zu tragen hat, wenn der Geschädigte über Vollkaskoversicherungsschutz verfügt und diesen in Anspruch nimmt als bei einem nicht vollkaskoversicherten Geschädigten, so ist dies dem Schadensersatzrecht nicht fremd. Der Schädiger muss den Geschädigten so hinnehmen, wie er ihn trifft. Im Übrigen sind die Versicherungsleistungen aus der Vollkaskoversicherung durch den Geschädigten mit seinen Prämienzahlungen erkauft und dienen nicht dazu, den Schädiger zu entlasten.

Fazit und Praxishinweis: Der VI. Zivilsenat bleibt sich mit dieser Entscheidung der Quotelung des Rückstufungsschadens seiner Rechtsprechung der Quotelung der Nebenfolgen nach einem Verkehrsunfall treu. So hat der VI. Zivilsenat bereits zu den Sachverständigenkosten im Falle der Mithaftung entschieden, dass bei einer nur quotenmäßigen Haftung des Schädigers dieser dem Geschädigten dessen Sachverständigenkosten nur um Umfang der Haftungsquote zu erstatten hat 8vgl. BGH Urt. v. 7.2.2012 – VI ZR 133/11 - = VersR 2012, 201 = DS 2012, 163; vgl. auch Wortmann DS 2012, 142 ff.). So wie der BGH eine Quotierung der Sachverständigenkosten im Falle des Mitverschuldens – zu Recht - vorgenommen hat, so ist es nur konsequent, wenn er entsprechend auch bei dem Rückstufungsschaden bei der durch den Geschädigten in Anspruch genommenen Vollkaskoversicherung beim Mitverschulden entscheidet. Das Urteil bestätigt damit auch die Rechtsprechung des erkennenden Senats aus dem Urteil vom 18.1.1966 – VI ZR 147/64 -.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung