Rheinmetall Automotive: Wenn die Kunden das Geschäft vermasselnDie Automobiltechnik ist das zweite Standbein des Rheinmetall-Konzerns und trägt maßgeblich zu dessen Erfolg bei | Dieselskandal gefährdet das Geschäft | Neuheiten zur IAA
Rheinmetall Automotive mit Sitz in Neckarsulm hat mit seinen weltweit über 11.400 Mitarbeitern im ersten Quartal 2018 einen Umsatz von 751 Millionen Euro erzielt. Das operative Ergebnis lag bei 65 Millionen Euro, und die Umsatzmarge betrug 8,6 Prozent. Damit trug der Unternehmensbereich maßgeblich zur Profitabilität und zum starken Aktienanstieg des Konzerns bei. Trotzdem muss der Vorstand um den Vorsitzenden Horst Binnig bibbern. Denn ein nicht geringer Teil des Produktangebots ist auf Dieselmotoren ausgelegt.
Man sei ja nicht dafür verantwortlich, was die Autohersteller mit den gekauften Rheinmetall-Komponenten anstellen, schimpft Horst Binnig im Gespräch mit dem kraftfahrt-berichter. Zwar hat man die Zeichen der Zeit längst erkannt und die Entwicklung von Komponenten für den elektrifizierten Antrieb vorangetrieben. Doch der Durchbruch der Elektroautos lässt bekanntlich auf sich warten.
Auch der Nutzfahrzeugbereich bereitet Binnig und seinen Vorstandskollegen Sorgen. Denn wenn die EU-Kommission endlich Emissionsgrenzwerte auch für Lastwagen festlegt, werden sich viele Hersteller umschauen müssen. Denn durch Verbesserungen am Dieselantrieb allein, der deutlich bevorzugten Motorart in Lkw, werden die Vorgaben kaum einzuhalten sein; allein schon aus dem Grund, dass Experten hier nicht mehr viel Potential sehen.
Neuheiten bei der IAA
Trotzdem gibt es, dank Hightech, noch Reserven. Eine der Neuheiten im Bereich Lkw-Dieselmotoren, die Rheinmetall bei der kommenden Nutzfahrzeug-IAA im September erstmals der Öffentlichkeit präsentieren wird, ist ein reibungsminimiertes Kolbensystem. Reibung verbraucht Energie, deshalb versucht man, sie gerade im Motorbereich erst gar nicht entstehen zu lassen oder zumindest zu senken. Nach langer Forschungsdauer habe sich herausgestellt, dass glatte, durch eine besondere Methode hergestellte Zylinderoberflächen und Kolbenringe mit einer Beschichtung aus sehr hartem Material zu einer „deutlichen Reibungsreduzierung“ von bis zu einem Viertel führen, wie Rheinmetall in Simulationen herausgefunden hat. Für das benötigte harte Material greifen die Experten beispielsweise auf diamantähnlichen amorphen Kohlenstoff (DLC) zurück. Das ist ein transparenter, künstlich gewonnener Stoff, der sich im Übergangsfeld von Graphit zum Diamanten befindet und sich durch besondere Härte auszeichnet.
Zudem ermöglicht ein von Rheinmetall neu entwickeltes Kolbendesign für Nutzfahrzeuge eine geringere Kompressionshöhe und ein verbessertes System der Kolbenkühlung. Dadurch wird weniger Kolbenkühlöl verbraucht, und die Ölpumpe kann kleiner ausfallen, was Bauraum, Kosten und Energie spart.
Eine weitere Rheinmetall-Verbesserung bezieht sich auf das Gleitlager von Lkw-Bremsen. Die sind in den letzten Jahren kleiner und leichter geworden und müssen zugleich höheren Anforderungen genügen, auch in der Spitze. Daraus ergibt sich: „Die Gleitschicht muss eine ausgezeichnete Anpassungsfähigkeit aufweisen und gleichzeitig äußerst verschleißfest sein“, erläutert das Unternehmen. Wird die Reibung aber zu hoch, lösen sich die Bremsbacken schlechter. Rheinmetalls neue Gleitlager-Familie verfügt über ein reibungs- und verschleißoptimiertes Hochleistungspolyamid. „Damit kann die Dicke der Gleitschicht auf die jeweilige Anforderung angepasst werden.“ Außerdem können die Schmiertaschen, die eine Art Fettdepot bereithalten, präziser in der erforderlichen Ausprägung gestaltet werden. Rheinmetall hat eigens für die Bremsaktuatorik einen Prüfstand errichtet, um die wesentlichen Verschleißmechanismen in dem Prozess besser zu identifizieren.
Darüber hinaus weitet das Unternehmen seine Aktivitäten in China aus. Der Start von Produktion und Vertrieb von Stahlkolben für Nutzfahrzeuge im Reich der Mitte ist für Dezember geplant. Dort wird in absehbarer Zeit eine Abgasnorm eingeführt, die mit Euro 6 vergleichbar ist. Die Nachfrage nach geeigneten Stahlkolben ist bereits jetzt so groß, dass Rheinmetall trotz der neuen Produktionsstätte Kolben aus Europa exportieren muss.