Assistenzsysteme: Nicht optimal auf die Landstraße abgestimmtWissenschaftler würdigen die Vorzüge von Notbremse & Co., entdecken aber unfallrelevante Defizite in den Konfigurationen
Für die Analyse und Rekonstruktion der Crashs werteten die Wissenschaftler reale Landstraßenunfälle mit Todesfolge rechnerunterstützt aus. Dabei wurde der Einfluss von ESP (Fahrstabilität), automatischem Notbremsassistent (Längsdynamik) und Spurhalteassistent (Querdynamik) auf das Unfallgeschehen berücksichtigt. Einbezogen wurden zudem die Reichweite des Radars und die Kegelöffnung (darunter versteht man, wie weit das Radar rechts und links von der Mitte „schaut“) sowie der Zeitpunkt des Bremseneingriffs vor der Kollision. Die Fallzahlen waren je-doch zu gering, um sie „ohne Weiteres“ auf das Unfallgeschehen insgesamt übertragen zu können, bedauern die Münchner Wissenschaftler. Fasst man die gewonnenen Erkenntnisse trotzdem zusammen, „so finden sich Hinweise darauf, dass der Spurassistent und insbesondere der Notbremsassistent ein hohes Potential zur Vermeidung zukünftiger schwerer Verkehrsunfälle aufweisen“, bemerken die Forscher.
„Notbremsassistent kommt an seine Grenzen“
Nach ihren Erkenntnissen ist der Spurhalteassistent „heute schon als vielversprechend“ einzustufen. Eine „optimale Umsetzung“ sei jedoch „noch nicht realisiert“. Es wurde festgestellt, dass kamerabasierte Systeme beim Erkennen des Fahrstreifens Probleme haben, weil sie schlechte oder fehlende Leitlinien nicht ausgleichen können. „Hier müssen bei der Fahrzeugtechnik auch im Bereich der Infrastruktur Optimierungsmaßnahmen vorangetrieben werden“, erklärten die Forscher. Nach ihrer Meinung könnten Rand- und Mittelmarkierungen auf den Fahrbahnen deutliche Verbesserungen erreichen. Außerdem schien den Forschern, dass die ESP-Programmierung nicht ausreiche, um Unfallsituationen in Kurven zu vermeiden. Sie empfehlen, die Erkennung der Witterung in das System zu integrieren.
Wenig optimistisch fällt auch die Beurteilung des Notbremsassistenten aus. „Er kommt bei den betrachteten Landstraßen in den aktuellen Konfigurationen (2017) an seine Grenzen“, lautet das Urteil. Bei der Analyse habe sich gezeigt, dass der Zeitpunkt des frühesten Bremseingriffs vor der Kollision „noch nicht optimal gelöst“ sei und deshalb ein Problem darstelle. Schließlich hat die Eingriffsdauer „große Auswirkungen“ auf die Schwere eines Unfalls.
„Diskutiert“ werden müssten aus Sicht der Forscher zudem Fehlauslösungen bei Kreuzungsunfällen und das Erkennen eines Fahrzeugs, das von der Gegenfahrbahn abkommt. In solch einer Situation, so die Wissenschaftler, könnte die Reaktionsspanne zum Eingreifen eventuell zu kurz sein.