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Automatisierte Autos: Wer haftet bei Unfall durch Softwarefehler?
Autofahrer und Unfallopfer müssen rechtlich bessergestellt werden

RobGal

Die Begeisterung für die automatisierte Mobilität der Zukunft weicht leicht der Ernüchterung, wenn es um so irdische Fragen geht wie: Wer haftet eigentlich bei einem Unfall mit einem autonomen Auto: der Fahrer oder der Hersteller? Wie sieht es mit dem Opferschutz aus? Mit diesen Themen beschäftigt sich Fabian Pütz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Versicherungswesen der TH Köln. Im Hinblick auf das zukünftige, wohl weitgehend automatisierte Verkehrsgeschehen hat er das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) unter die Lupe genommen, das die juristische Verantwortung von Herstellern bei fehlerhaften Produkte regelt, und dabei einige Probleme entdeckt.
Pütz ist sich sicher, dass auch computergelenkte Autos Verkehrsunfälle verursachen werden. Dann müssten nach dem derzeit geltenden Haftungs- und Versicherungsrecht zunächst die Kfz-Versicherungen die Kosten des Geschädigten begleichen, konstatiert er. Ein Roboterauto hat aber eine Eigenheit: Verursacht es einen Unfall, kann es an der Software liegen, die den Wagen steuert. In diesem Fall müsste der Autohersteller für die Unfallkosten aufkommen. Pütz räumt jedoch ein: „Zwar ist es politisch und gesellschaftlich gewollt, dass der wahre Verursacher eines Unfalls – in diesem Fall der Hersteller – für den Schaden aufkommt. In der aktuellen Rechtslage gibt es allerdings hohe Hürden, die für eine als ‚gerecht‘ empfundene Verteilung der Kosten hinderlich sind.“

Das Produkthaftungsgesetz, das in seiner aktuellen Version von 1989 stammt, schreibt nämlich vor, dass der Fahrzeugdefekt bereits zum Zeitpunkt vorgelegen haben muss, als das Produkt „in den Verkehr gebracht“ wurde. Produkte, die immer wieder verändert werden, fallen demnach heraus. Der Kölner Wissenschaftler weist nun darauf hin, dass automatisierte Fahrzeuge durch Software-Updates laufend modifiziert werden. Daher sei die Angabe des „fixen Zeitpunkts des so genannten Inverkehrbringens“ bei den Roboterautos „nicht mehr zielführend“.

Hinzu kommt eine weitere Schwierigkeit: Nach geltender Gesetzeslage kann Schadenersatz nur bei einer Beeinträchtigung an Sachen von Dritten gefordert werden, die für den privaten Gebrauch bestimmt sind. „Entsteht durch einen Softwarefehler ein Schaden am eigenen Fahrzeug, an der öffentlich oder gewerblich genutzten Straßeninfrastruktur, an Firmenfahrzeugen oder an Autos des Carsharings können die Hersteller nach dem Produkthaftungsgesetz in seiner derzeitigen Form also nicht haftbar gemacht werden“, lautet ein weiteres Ergebnis von Pütz’ Untersuchungen. Er schlägt daher vor, dass jede Softwareaktualisierung als neuer Zeitpunkt für das „Inverkehrbringen“ festgelegt wird. Außerdem sollten Schäden an nichtprivaten Objekten in das Produkthaftungsrecht integriert werden, fordert der Kölner Wissenschaftler.

Die Position der Unfallopfer stärken

Maximal 85 Millionen Euro hat ein Hersteller laut derzeitiger Gesetzeslage insgesamt für Schäden zu bezahlen, die auf ein und demselben Fehler beruhen. Für automatisierte Autos hält Pütz das für „nicht mehr sachgerecht“. Denn ein solcher „Serienfehler“, ausgelöst durch einen Programmier-Irrtum, könne „zukünftig zu einer Vielzahl von Unfällen führen“. Daher sollte das Haftungslimit aus Pütz’ Sicht angehoben werden. Bei der Gelegenheit sollten auch Standards für das Programmieren, Testen und die Zulassung der autonomen Fahrzeuge definiert werden. Nach der derzeitigen Rechtslage müssen nämlich Hersteller bei einem Unfall nur dann haften, wenn die Ursache nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt hätte erkannt und verhindert werden können, als das Produkt eingeführt wurde. Um dies nach einem Unfall beurteilen zu können, sind einheitliche Standards erforderlich.

„Meine Vorschläge zu den Änderungen im Produkthaftungsgesetz sind tiefgreifend und müssen rechtspolitisch abgewogen werden“, gibt Fabian Pütz zu bedenken. „Allerdings betreffen sie nicht nur den Spezialfall automatisierte Fahrzeuge, sondern alle Produkte, die regelmäßige Software-Updates erhalten.“

Doch das ist noch nicht alles, ein weiteres juristisches Problemfeld betrifft den Opferschutz. Pütz sieht ihn bei kleinen und mittleren Schäden, welche die übergroße Mehrheit der Fälle ausmachten, auch im Zeitalter des autonomen Fahrens als gewährleistet an. Eine Einschränkung muss er jedoch machen, nämlich für den Fall, dass durch den Crash hohe Folgekosten entstehen und der Fahrer seiner Kontrollpflicht gegenüber dem vom Computer gesteuerten Fahrzeug nachkam: Dann fällt die Haftung des Fahrers weg. Für Unfallopfer bedeutet das zwar, dass sie durch die Kfz-Versicherung des Autohalters entschädigt werden, „rechtlich aber nur bis zur Höhe der limitierten Haftung des Halters“, beschreibt Pütz die Problematik. Und die liegt für Personenschäden bei zehn Millionen und für Sachschäden bei zwei Millionen Euro. Das könnte bei besonders folgenreichen Unfällen möglicherweise nicht genügen.

„Um die potentiellen Opfer komplett abzusichern, müssten diese Höchstgrenzen deutlich angehoben werden“, lautet Pütz’ Schlussfolgerung. Zwar könne ein Unfallopfer den betreffenden Autohersteller auch direkt verklagen. Das seien aber aufwendige, langwierige und teure Prozesse gegen große Konzerne, betont der Kölner Wissenschaftler, die für Privatpersonen praktisch kaum führbar sind.
Quellen
    • Foto: | Text: Beate M. Glaser (kb)