Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

ÖPNV-Alternative: Statt im Bus zu stecken lieber über den Dächern schweben?
Seilbahnen sind leise und emissionsfrei und könnten den Innenstadtverkehr entlasten | Überlegungen für München | Es gibt aber auch Einwände

RobGal

Megastädte haben ein neues Transportmittel entdeckt, um dem Verkehrschaos Herr zu werden: urbane Seilbahnen. Sie entzerren bereits im bolivianischen La Paz und im US-amerikanischen Portland das tägliche Durcheinander. In der türkischen Hauptstadt Ankara wurde 2014 die größte urbane Seilbahn Eurasiens in Betrieb genommen. Sie benötigt für die 3,2 Kilometer lange Strecke, die zwei Stadtteile miteinander verbindet, zehn Minuten.
Seilbahnen haben den Vorteil, leise und umweltfreundlich zu sein. Für die Kommunen sind sie zudem billiger als eine U-Bahn, sagen Fachleute. Nun wird dieses neue und ungewöhnliche Verkehrsmittel auch für München diskutiert. Unklar ist, ob die Bevölkerung der bayerischen Landeshauptstadt ein solches Verkehrsmittel überhaupt möchte, das man sonst nur aus dem Urlaub in den Alpen kennt. Bei einer nicht repräsentativen Online-Umfrage im Frühsommer dieses Jahres, an der 700 überwiegend jüngere Menschen beteiligt waren, votierten 87 Prozent dafür. Die Gegner nannten vor allem zwei Gründe, wie ein Verkehrsexperte der Universität der Bundeswehr München herausfand: die Zerstörung des Stadtbildes sowie Höhen- und Platzangst.

Die anderen Umfrageteilnehmer sollten sich zwischen der Fahrt mit einem Bus, der heute die in Frage kommenden Stadtteile bedient, und einer Seilbahn entscheiden. Bei gleich langer Fahrzeit entschieden sich 85 Prozent für die Seilbahn. Selbst wenn der Bus schneller am Ziel wäre, bevorzugte die Hälfte der Teilnehmer trotzdem die Seilbahn. Die Vorstellung, über der Stadt zu schweben, ist für viele Münchner offenbar so attraktiv, dass ein Drittel selbst dann die Seilbahn wählen würde, wenn sie in eine U- oder Straßenbahn umsteigen müssten, um eine Busfahrt von gleicher Reisedauer zu vermeiden.

Allerdings gibt es auch andere Erfahrungen. So scheiterte 2014 in Hamburg der Plan eines Musical-Betreibers, den Stadtteil St. Pauli mit der gegenüberliegenden Seite der Elbe durch eine Seilbahn mit 80 Meter hohen Stützen zu verbinden. Eine deutliche Mehrheit von knapp zwei Dritteln hatte sich bei einer Volksentscheidung des zuständigen Bezirks Hamburg-Mitte dagegen ausgesprochen. Die Kritik hatte sich an der touristischen und privatwirtschaftlichen Ausrichtung des Projekts entzünden, die schätzungsweise sogar ein höheres Verkehrsaufkommen zur Folge gehabt hätte. Außerdem wurden die Verschandelung der Silhouette von Stadt und Elbe sowie eine unklare Folgefinanzierung moniert.

Die Beispiele sind ein Beleg dafür, dass Zustimmung oder Ablehnung der urbanen Seilbahnen ganz besonders davon abhängen, ob das Konzept tatsächlich die Entzerrung des Cityverkehrs vorsieht oder aber privatwirtschaftliche Interessen bedient. Auch die Art der langfristigen Finanzierung und der Standort spielen eine Rolle, und nicht zuletzt auch Fragen städtebaulicher Ästhetik.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung | Text: Beate M. Glaser (kb)