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Wie bereits in der Unfallzeitung berichtet, beabsichtigt die deutsche Bundesregierung das Dieselfahrverbot in vielen deutschen Städten dadurch zu verhindern, indem die Überschreitung des europaweit festgelegten Grenzwertes vom 40 Mikrogramm Stickstoffoxid pro Kubikmeter Luft im Jahresschnitt als geringfügig angesehen wird und damit Dieselfahrverbote bei Überschreitung des Grenzwertes bis 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid als unverhältnismäßig angesehen werden. Das ist im Sinne der Gesundheit der Bevölkerung an Hauptverkehrsstraßen ein fauler Gesetzesentwurf. Der Gesetzesentwurf nützt nur dem desolaten Image der deutschen Automobilhersteller.
Dass die EU-Kommission bei dem beabsichtigten deutschen Gesetzesvorhaben kein Veto eingelegt hat, beseitigt aber die bestehenden teilweise rechtskräftigen Urteile des Verwaltungsgerichts München und der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart, die beide durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurden, nicht. Ebenso ist der gerichtliche Vergleich bezüglich der Dieselfahrverbote in Darmstadt rechtsbeständig. Demnächst soll das Oberverwaltungsgericht Münster über das Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen bezüglich des Dieselfahrverbots in Aachen entscheiden. Weitere Berufungsentscheidungen des OVG Münster stehen ebenfalls an für die Fahrverbote in Essen und Gelsenkirchen sowie Köln und Bonn. Auch nach der neuen gesetzlichen Regelung, deren Rechtmäßigkeit mehr als fraglich ist, sind Dieselfahrverbote im größten deutschen Ballungsraum, im Ruhrgebiet, noch nicht vom Tisch. In einigen Ruhrgebietsstädten liegt der gemessene Wert nämlich über 50 Mikrogramm. Das ist unter anderem in Dortmund und Bochum mit 51 Mikrogramm der Fall. Das Gleiche gilt auch für München und Stuttgart, Düsseldorf und Köln. In Düsseldorf beträgt der neueste Wert an der Corneliusstraße 53 Mikrogramm und in Köln am Clevischer Ring 59 Mikrogramm. Dort nützt die neuerliche gesetzliche Regelung der Bundesregierung nichts. In Düsseldorf muss es daher bei dem rechtskräftigen Urteil und dem verhängten Fahrverbot verbleiben. Das gilt auch für München und Stuttgart sowie Darmstadt, das sich durch einen gerichtlichen Vergleich zur Einrichtung von Dieselfahrverbotszonen verpflichtet hatte. In diesen Fällen können die rechtskräftig festgestellten und rechtskräftig verglichenen Fahrverbote nicht rückwirkend so einfach beseitigt werden, denn immerhin haben neutrale Gerichte so entschieden und es entspricht einem Rechtsgrundsatz in der Demokratie, dass rechtskräftige Urteile auch die Verwaltung binden.

Mit dem Gesetzesentwurf will die Bundesregierung aus CDU-, SPD- und CSU-Ministern unter Führung der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ermöglichen, dass Städte auf Diesel-Fahrverbote verzichten können, wenn die Stickoxid-Belastung nur geringfügig über den Vorschriften liegt. EU-weit gilt der Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft im Jahresschnitt. Die geplante Lockerungsklausel soll bis 50 Mikrogramm gelten. Städte, die maximal bei 500 Mikrogramm liegen, könnten statt eines Diesel-Fahrverbotes andere Maßnahmen zur Luftverbesserung ergreifen, etwa die Umrüstung kommunaler Busse oder Software-Updates und Nachrüstungen bei Personenkraftfahrzeugen. Einige Städte versuchen das bereits anhängige Gerichtsverfahren vor dem zuständigen Verwaltungsgericht noch dadurch zu umgehen, indem für die Straße, an der die Messstation steht, Lkw-Durchfahrtsverbote gelten und für den Pkw- und Lieferverkehr eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h gilt. Ferner wurden sogenannte Klimahecken, was auch immer das sein soll, auf der Mittelinsel errichtet. Zu Recht hat daher der bekannte Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, Herr Dudenhöffer, darauf hingewiesen, dass mit dem deutschen Gesetzesentwurf der EU-Grenzwert nicht verändert wird. Dieser gilt nach wie vor, auch in der Bundesrepublik Deutschland. Denn durch das Nichteinlegen eines Vetos gegen das beabsichtigte Bundesgesetz hat die EU-Kommission keine Grenzwertverschiebung für Deutschland bejaht. Es gilt der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid nach wie vor. Dieselfahrverbote sind damit noch nicht ausgestanden. Zum einen erreichen viele Städte höhere als 50 Mikrogramm und zum anderen entscheiden unabhängige Gerichte über Diesel-Fahrverbote und nicht die Politik. Nicht ohne Ironie ist es, dass die etwa 100 Lungenärzte, die in einem offenen Rundschreiben die Grenzwerte bestritten, nun selbst Rechenfehler einräumen mussten. Es bestand daher von vornherein der Verdacht, dass dieses Rundschreiben des Herrn Dr. Köhler, der Wortführer der Lungenärzte war, durch die Automobilindustrie in Auftrag gegeben und gesponsert war. Selbst der Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU), der nach Bekanntwerden des Rundschreibens die Argumentation übernahm, rudert jetzt zurück und relativiert seine Aussagen. Tatsache ist, dass Stickstoffdioxid gesundheitsgefährdend ist. Nicht umsonst warnt die absolut herrschende Meinung der Lungenfachärzte vor zu hohen Stickstoffdioxiden. Sie halten den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm für noch zu hoch. Die betroffenen Städte müssen es schaffen, dass die Grenzwerte unterschritten werden. Dafür hatten sie seit mehr als fünf Jahren Zeit genug. Getan wurde seitens der Städte fast nichts. Seitens der Automobilindustrie wurde Betrugsmotoren eingebaut. Nachdem die Europäische Union jetzt auch die Schadstoffe bei Lkws und Bussen begrenzt, geht erneut ein Aufschrei durch die deutschen Hersteller für Busse und Lastfahrzeuge. Bei diesen muss die Politik ansetzen. Diese müssen kraft Gesetzes daran gehindert werden, gesundheitsschädliche Kraftfahrzeuge in den Verkehr zu bringen. Der Staat ist nicht dafür da, die betrügenden Autohersteller zu subventionieren.

Fazit: Wieder einmal hat sich die deutsche Bundesregierung in Sachen Automobil bei der EU durchgesetzt. Durch das aus EU-Sicht nicht verständliche Nichteinlegen des Vetos gegen das geplant deutsche Lockerungsgesetz hat die Europäische Union der Bundesregierung grünes Licht gegeben, selbst dafür zu sorgen, wie in den betroffenen Städten die Stickoxidbelastung gesenkt werden kann. Dass das möglich ist, zeigt der Fall Wiesbaden. Dort konnte im gerichtlichen Verfahren auf die Verhängung des Dieselfahrverbotes verzichtet werden, weil die Stadt Wiesbaden durch ein Maßnahmenpaket für bessere Luftqualität sorgt. Mit möglichst vielen Diesel-Fahrverboten soll die Luft nicht verbessert werden, sondern es soll möglichst wenige Diesel-Fahrverbote geben. Ob das der richtige Weg ist, um die Luftqualität zu verbessern, mag bezweifelt werden. Mit der Nichteinlegung des Vetos hat die EU den bestehenden Grenzwert von 40 Mikrogramm unangetastet gelassen. Die Bundesregierung steht nicht als Rechtsbrecher da, sondern als Förderer einer automobilfreundlichen Übergangslösung. Aber spätestens jetzt werden die Diesel-Automobilhersteller die dringend notwendigen Nachrüstungen in der Schublade verschwinden lassen. Die Luftqualität in den Städten wird dadurch natürlich nicht besser. Aber die in der Politik ungeliebten Dieselfahrverbote sind größtenteils erst einmal vom Tisch. Dabei wäre es die erste Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass den sozial schwächeren Einwohnern, die an Hauptverkehrsstraßen wohnen müssen, geholfen wird. Dafür wird lieber der Automobilindustrie geholfen. Das ist ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes. Deshalb ist die politische Lösung zur Vermeidung der meisten Dieselfahrverbote eine politische Verpflichtung, gegen Giftstoffe aus dem Auspuff der Kraftfahrzeuge vorzugehen. Aber es steht zu vermuten, dass die deutsche Politik es an dieser Konsequenz in Sachen Automobil fehlen lässt. Die Automobilindustrie reibt sich die Hände. Armes Deutschland, kann man da nur abschließend sagen.
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