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Rückspiegel vor 25 Jahren: Ein Kraftwerk fürs Auto
1994 präsentierte der Daimler-Benz-Konzern das Versuchsfahrzeug Necar, bis oben hin vollgestopft mit neuer Antriebstechnologie: Brennstoffzelle und Wasserstofftanks

RobGal

„Ein Kraftwerk fürs Auto“, so betitelte der kraftfahrt-berichter im April 1994 seinen Artikel über Daimlers erstes Brennstoffzellenauto, das einer kleinen Sensation gleichkam. Das Forschungsfahrzeug wurde vor genau einem Vierteljahrhundert einer ausgewählten Schar von Journalisten vorgestellt. Es eignete sich überhaupt nicht für den Transport, vielmehr war er ein „rollendes Labor“ (kb).
In der Brennstoffzelle wird durch die Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff elektrische Energie freigesetzt. Man kann sich das Prinzip so vorstellen, dass die zur Herstellung des Wasserstoffs ursprünglich benötigte Energie in der Brennstoffzelle wieder abgegeben und dann genutzt wird. Der Wasserstoff hat die Funktion eines Energieträgers, um den Elektroantrieb eines Autos mit Strom zu versorgen oder ihn in einer Traktionsbatterie zwischenzulagern. Brennstoffzellenautos gehören damit strenggenommen zu den Hybrid- und Null-Emissions-Fahrzeugen, denn bei der Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff entsteht lediglich unschädlicher Wasserdampf, der das Auto über den Auspuff verlässt.


1994 steckte diese Technologie noch ganz in den Anfängen. Stolze 800 Kilogramm wogen die notwendigen Aggregate und Tanks für Daimlers straßentaugliches Versuchsfahrzeug. Ein Pkw eignete sich also nicht, ein Transporter musste her. Man entschied sich für den MB 100, den Vorgänger des heutigen Vito. Den stopften die Entwickler des damaligen Daimler-Benz-Konzerns bis oben hin voll mit Apparaturen und gaben dem Forschungsfahrzeug den Namen „Necar“, ein Akronym aus „New Electric Car“ (Neues Elektroauto) und eine Anspielung auf den Fluss, der durch Stuttgart führt, Daimlers Konzernsitz.

25 Jahre Entwicklungszeit: Vom Necar 1 zum GLC F-Cell

Mit Necar legte Mercedes den Grundstein für den zweieinhalb Jahrzehnte später erscheinenden GLC F-Cell, das weltweit erste Serienauto mit Brennstoffzellen- und Plug-in-Hybrid-Antrieb. Doch der Weg dorthin war erheblich schwieriger, als zunächst erwartet. Hatte doch das für Forschung zuständige Konzernvorstandsmitglied Hartmut Weule bei der Necar-Präsentation 1994 gegenüber dem kraftfahrt-berichter angekündigt, bereits zur Jahrtausendwende das erste seriennahe Brennstoffzellenfahrzeug vorzustellen. Doch daraus wurde nichts. Erste Praxiserprobungen begannen erst im Jahr 2000, und für die Kleinserien-Premiere waren noch weitere zehn Jahre nötig.

Bis dahin machte der Necar verschiedene Wandlungen durch. Bot der Urahn von 1994 erst 41 PS, maximal 90 km/h und 130 Kilometer Reichweite, brachte es Necar 2 zwei Jahre später bereits auf 50 Prozent mehr Leistung, auf die doppelte Reichweite und eine Maximalgeschwindigkeit von immerhin 110 km/h. Necar 2 war in der Pkw-Version des Vito untergebracht, der V-Klasse. Die Forschung hatte die Brennstoffzelle so klein werden lassen, dass sie unter die Motorhaube passte. Damit waren die sechs Sitzplätze tatsächlich Passagieren vorbehalten, nicht der Technik. Die Tanks mussten allerdings noch auf dem Dach platziert werden.

1997 fährt eine umgebaute A-Klasse als Necar 3 vor. Die Reichweite des Kompaktwagens beträgt immerhin schon 400 Kilometer. 1999 vollzieht Necar 4 einen „entscheidenden Schritt zur Serienreife“ (Daimler). Nun wird verflüssigter Wasserstoff eingesetzt. Vorher waren Methan und zu dessen Umwandlung ein Wasserstoff-Reformer genutzt worden, was im Jahr 2000 im Necar 5, dem letzten „Neuen Elektroauto“, wieder zum Zuge kommt. Die Technologie ist nun so weit entwickelt, dass sie in den Sandwichboden einer A-Klasse passt. Künftig sollte man aber beim verflüssigten Wasserstoff bleiben.

2010 ist endlich die Zeit gekommen: Die Mercedes-Benz B-Klasse F-Cell wird in einer Kleinserie produziert. Der Kompaktvan leistet 138 PS, wird bis zu 170 km/h schnell und bietet eine Reichweite von 385 Kilometern. Insgesamt 300 Modelle befinden sich laut Hersteller bis heute im Einsatz, als Forschungsfahrzeug sowie bei ausgewählten Kunden in Europa und den USA.

Richtig zur Sache geht es ein Jahr später mit dem Forschungsfahrzeug F 125. Daimler konzipierte das Brennstoffzellenauto mit Plug-in-Hybrid-Technik. Die Reichweite beträgt stolze 1.100 Kilometer, davon 900 Kilometer mit Strom aus der Brennstoffzelle und 200 Kilometer batterieelektrisch – das beugt jede Reichweitenangst vor. Die Höchstgeschwindigkeit gibt Daimler mit bemerkenswerten 220 km/h an.

Den größten Nachteil des Elektroautos elegant umgangen

Endlich, im November 2018, vierundzwanzigeinhalb Jahre nach der Präsentation von Necar 1, werden die ersten Modelle des Mercedes-Benz GLC F-Cell an Kunden ausgeliefert. Laut Daimler ist es der weltweit erste Plug-in-Hybrid-Wagen mit Brennstoffzelle. Das Kompakt-SUV lässt sich in drei Minuten mit Wasserstoff auftanken und bietet eine NEFZ-Reichweite von 430 Kilometern, dazu sollen 51 batterieelektrische Kilometer kommen. Den GLC F-Cell bietet Mercedes nur im Leasing an.

1994 hatte sich Daimler an die Arbeit gemacht, weil mit dem Brennstoffzellenantrieb das „größte Handicap des Elektroautos elegant umgangen“ werden konnte, wie die kb-Autorin 1997 schrieb, nämlich die geringe Reichweite. „Zugleich sollten alle Vorteile erhalten“ bleiben, vor allem die emissionslose Fahrt. Außerdem lassen sich Brennstoffzellenautos so geschwind betanken wie Benziner und Diesel. Von Nachteil sind (derzeit noch) die aufwendige und teure Technologie sowie das fehlende Tankstellennetz. Umstritten ist, ob das Brennstoffzellenauto oder das Elektroauto die bessere Ökobilanz aufweist. Es kommt jedoch so oder so darauf an, dass grüner Strom gesellschaftlich stärker zum Einsatz kommt.

Ob sich die Brennstoffzelle als Antriebstechnologie durchsetzen wird, ist noch nicht gewiss. Das Angebot ist derzeit noch sehr überschaubar, neben dem GLC F-Cell von Mercedes werden den Kunden in Deutschland nur der Hyundai Nexo und der Toyota Mirai angeboten. In einem integrierten Verkehrssystem könnten Brennstoffzellenautos auf langen Strecken sinnvoll sein, während die reinen Stromer für kurze Wege zuständig sind.
Quellen
    • Foto: © Maksym Yemelyanov | Text: Kristian Glaser (kb)