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Autogipfel: Vom Masterplan zur Masterpraxis?
Große Herausforderungen und hoher Druck für Politik und Wirtschaft | „Autogipfel“ ergibt nur Ankündigungen zu Ladestationen

RobGal

Vor nahezu zehn Jahren begannen Bundesregierung und Autobranche gemeinsame Ziele zum Ausbau der Elektromobilität zu formulieren. Sie gaben ihrem Arbeitskreis den Titel „Nationale Plattform Elektromobilität“ und proklamierten, bis spätestens 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf bundesdeutsche Straßen zu bringen. Ein Jahr vor dem Stichtag, zu Beginn dieses Jahres, waren allerdings erst 150.000 Elektro-Pkw zugelassen, eingerechnet die Plug-in-Hybride.
Der staatlich-private Arbeitskreis trägt mittlerweile den Namen „Nationale Plattform Zukunft der Mobilität“ (NPM) und hat sein Themenfeld um autonomes Fahren und nachhaltige Mobilität erweitert. Beteiligt sind Vertreter der Bundesregierung, der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Automobilklubs und der Naturschutzverbände. Doch so richtig vorwärts kommt der Beraterkreis nicht, zumal zusätzliche Probleme wie immer neue Enthüllungen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal die Arbeit nicht erleichtern.

Also trafen sich Ende Juni mehrere Bundesminister mit den Chefs von BMW, Daimler und Volkswagen auf Einladung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu einem „Autogipfel“. Bei der mehrstündigen Beratung hinter verschlossenen Türen sollten mehrere Themen behandelt werden, um der steckengebliebenen Verkehrswende auf die Sprünge zu helfen. Es kamen jedoch lediglich Ankündigungen zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur heraus.

300.000 öffentliche Ladepunkte hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, nach Angaben der Energiewirtschaft gibt es derzeit erst 17.400. Die geringe Zahl wird als eines der entscheidenden Hindernisse für den Durchbruch der E-Mobilität angesehen, neben der geringen Reichweite der Fahrzeuge und den hohen Anschaffungskosten. Bei dem Autogipfel verständigte man sich nun auf einen „Masterplan“ für den Ausbau der Ladestationen. Dabei soll auch der reale Bedarf ermittelt werden.

Ungeklärt bleibt, wer den absehbaren Mehrbedarf an Ladestationen bezahlt. Das soll erst bei einem weiteren Treffen vereinbart werden. Nicht nur die öffentliche Hand ist hier gefordert, sondern mindestens genauso die Autoindustrie, die in der Vergangenheit nicht gerade darben musste, die mit E-Autos schließlich Geld verdienen möchte und eine eigenständige Verantwortung für eine intakte Umwelt hat. Offen ist ebenso, was die Energiewirtschaft zu leisten hat, wenn ab dem Jahr 2030 sieben bis zehneinhalb Millionen E-Fahrzeuge in Gebrauch sind, wie sich die Bundesregierung vorgenommen hat, und regelmäßig Strom beziehen müssen, ohne dass das Netz in die Knie geht.

Unbeantwortet ist derzeit auch die Frage, wie viele private Ladestationen es in Tiefgaragen, Parkplätzen, Bürokomplexen und Innenhöfen von Mehrfamilienhäusern eigentlich gibt. Über sie erfolgt derzeit der allergrößte Teil der Ladevorgänge. Hier will die Bundesregierung gesetzliche Grundlagen für den erleichterten Bau von Ladepunkten schaffen. Auch der bislang relativ hohe Strompreis von bis zu 55 Cent pro Kilowattstunde dürfte immer noch eine Hürde darstellen, dass die Autofahrer vom Verbrennungsmotor auf den Elektroantrieb umsteigen.

Dabei besteht in Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft nicht einmal Einigkeit, ob zum Erreichen der Klimaschutzziele eine Fokussierung auf die Elektromobilität sinnvoll ist, wie es der Volkswagen-Konzern macht und betreibt. Der batterieelektrische Antrieb wird von Kritikern wegen des ungünstigen Strommixes, seines schlechten Wirkungsgrades und seiner ungünstigen Ökobilanz beargwöhnt. Auch verbesserte Motor- und Hybridsysteme, der Gasantrieb sowie alternative Kraftstoffe werden von vielen zumindest für eine Übergangszeit favorisiert. Die Pro-Stimmen betonen, dass mit ihnen allen die bisherige Fahrzeugarchitektur im Grunde fortgesetzt werden könnte, dabei wird je nach Interessenlage oder Sichtweise auf die Gewinnmargen oder die Arbeitsplätze hingewiesen. Unklar ist aber, ob sie die Luftschadstoffe im nötigen Umfang zu reduzieren vermögen.

Auch der Wasserstoffantrieb, der eine bessere Reichweite als das batterieelektrische Auto aufweist, erheblich schnellere Tankvorgänge erlaubt und dabei ebenfalls emissionslos ist, wird immer mehr in die Diskussion gebracht. Manche Umwelt- und Klimaschützer fordern jedoch die vollständige Abkehr vom motorisierten Individualverkehr und den Ausbau des ÖPNV. In diese Debatten um die weitere Perspektive des Straßenverkehrs mischen sich nun zusätzlich noch die aufkommenden kollektiven Fahrkonzepte wie Sammeltaxis.

Handfeste globale Probleme

Der Hintergrund für die teilweise Aufregung besteht in handfesten globalen Problemen. Das Öl bleibt eine endliche Ressource, auch wenn die USA durch das – ökologisch fragwürdige – Fracking mittlerweile zum weltgrößten Ölförderland aufgestiegen sind. Zudem tragen die Emissionen der Verbrennungsmotoren nicht unerheblich zu Umwelt- und Gesundheitsbelastungen und zum Klimawandel bei.

Und schließlich hat die Europäische Union in Reaktion auf die Abgasbetrügereien strengere Schadstoffgrenzwerte und gebrauchsnähere Messverfahren eingeführt, weitere Verschärfungen sind bereits beschlossene Sache. Bis spätestens 2030 müssen die CO2-Schadstoffe der Neuwagen durchschnittlich um 37,5 Prozent gegenüber 2021 sinken, und bereits ab 2020 gilt ein Grenzwert von 95 g/km CO2, verbunden mit empfindlichen Strafzahlungen für die Hersteller, deren Flotte die Vorgaben nicht schafft.

Tiefgreifende Veränderungen sind im Gange und erforderlich, der Handlungsdruck ist sehr hoch. Die Ergebnisse des jüngsten Autogipfels sind noch nicht danach. Vom Masterplan zur Masterpraxis.
Quellen
    • Foto: © lightsonscience - Fotolia.com | Text: Olaf Walther (kb)