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Continental: Zwei kleine Neuheiten mit großer Wirkung (2. Teil)
Wie sich ein Vollhybridantrieb auch für kleine Autos lohnt | Continentals technische Neuheiten zur IAA im September

RobGal

Im Jahr 1871 wurde die Continental-Caoutchouc- und Gutta-Percha Compagnie zur Produktion von Weichgummiwaren gegründet. Heute arbeiten über 240.000 Mitarbeiter an mehr als 540 Standorten in 60 Ländern bei dem Autozulieferer mit Sitz in Hannover beschäftigt, der zu den weltweit größten gehört. Von Anfang an achtete man bei „Conti“ auf die sozialen Belange der Belegschaft und setzte auf Wissenschaftlichkeit und Erfindergeist.
Das Unternehmen ist in zwei Bereiche gegliedert: „Automotive“ mit Chassis und Sicherheit, Antriebsstrang und Innenraum einschließlich Nutzfahrzeuge sowie „Rubber“, zuständig für die Reifen und für die Kautschuk- und Kunststoffprodukte. Wirtschaftlich macht Continental der gebremste chinesische Automarkt und die von den USA losgetretenen Handelskonflikte zu schaffen. Trotzdem hält Vorstandsvorsitzender Elmar Degenhardt am eingeläuteten Konzernumbau in Richtung Holdingstruktur fest, in dessen Zuge die Antriebssparte unter dem Namen „Vitesco“ teilweise an die Börse gebracht werden soll. Denn der Konzern, dessen Hauptaktionär die ebenfalls als Automobilzulieferer tätige Schaeffler-Gruppe ist, braucht für die anstehenden Investitionen viel Geld.

Im Zuge der technologischen Entwicklung werden Zulieferer zunehmend zu kompletten Systemanbietern, wie sich demnächst exemplarisch an neuen E-Autos verschiedener chinesischer und europäischer Hersteller zeigen wird. Die werden mit einem komplett von Continental entwickelten integrierten Elektroachsantrieb für den Volumenmarkt ausgerüstet: ein vollständig in einem Gehäuse untergebrachter Antriebsstrang mit Elektromaschine, Leistungselektronik und Untersetzungsgetriebe, eingesetzt in verschiedenen Modellen unterschiedlicher Hersteller, wie das Unternehmen ankündigte.

Doch auch in vermeintlich kleinen Innovationen steckt Potential. So ist es Continental erstmals gelungen, ein 48-Volt-System für Vollhybrid-Pkw auszulegen. Allein weil dafür weniger Sicherheitsausstattung erforderlich ist, ist es in der Herstellung ein Viertel günstiger als ein Hochvoltsystem mit bis zu 800 Volt, wie es bislang bei Vollhybrid-Pkw nötig ist.

Die neuentwickelte Elektromaschine hat gegenüber bisherigen Versionen eine um das Doppelte verbesserte Spitzenleistung von 30 kW und lässt rein elektrisches Fahren mit bis zu 80 oder 90 km/h zu, wie der norddeutsche Zulieferer bei seinem Technik-Tag Anfang Juli vor Journalisten anhand eines umgebauten Serienfahrzeugs demonstrierte. Das rein elektrische Fahren ist die eigentliche Neuheit in der Nutzanwendung, denn der verbrauchs- und schadstoffmindernde Nutzen solcher Niedrigvoltsysteme lag bislang nur in der Unterstützung des Verbrennermotors in Mildhybridautos beim Beschleunigen (boosten) und bei der Rückgewinnung von Bremsenergie (rekuperieren).

Voll- und Plug-in-Hybrid auch für kleine Pkw

Technisch fußt Continentals „kleines“ Hybridsystem auf einer stärkeren Elektromaschine und auf einer Leistungselektronik, die deutlich höhere Ströme verarbeiten kann. Platzbedarf und Gewicht des Hybridsystems sind dagegen „nur minimal“ gewachsen, so Continental. Das Resultat sind ein verbesserter elektrischer Wirkungsgrad und effektiveres Rekuperieren. Die Kraftstoffersparnis betrage 20 Prozent, so das Unternehmen, das sich auf dieser Basis auch einen Plug-in-Hybrid vorstellen kann. Die Neuerung macht den Vollhybridantrieb auch für kleinere, preisgünstige Autos attraktiv und könnte dem Verbrenner-Elektro-Mix neuen Schub verleihen.

Ein weiteres Highlight betrifft das Sehen. Zusammen mit Osram ist es Continental gelungen, einen hochauflösenden Scheinwerfer als dauerhaftes Fernlicht zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist eine digitale Steuerung, welche die anderen Verkehrseilnehmer erkennt und gezielt aus dem Lichtkegel „auszuschneiden“ vermag, um Blendung zu vermeiden. Gleichzeitig wird der Straßenverlauf automatisch ausgeleuchtet, auch in Kurven.

Ermöglichst wird das durch hochauflösende Mikro-LEDs mit über 4.000 Pixel pro Scheinwerfer und einem Laser-Fernlicht mit einer Reichweite von bis zu 600 Metern. Das System arbeitet so fein, dass sich damit sogar kleine Texte oder Symbole auf die Straße projizieren lassen. Die sehen zwar fast so grob gezeichnet aus wie dereinst die Computerspiele aus der Ära der Atari-Konsole, lassen aber erahnen, was für ein grundlegender Durchbruch hier erreicht werden konnte. Denn damit lässt sich in weiteren Entwicklungsschritten beispielsweise eine fehlende Fahrbahnmarkierung zur besseren Orientierung bei Dunkelheit ersetzen oder die Kommunikation zwischen Roboterauto und Fußgänger an einem Übergang gewährleisten. Denkbar wäre auch eine Art intelligentes Hilfslicht für eine ungesicherte Unfallstelle oder generell bei einer Notlage.

Die technologischen Verbesserungen im Zuge des tiefgreifenden Wandels im Verkehrs- und Automobilbereich dürfen kein exklusiver Luxus bleiben, wenn man die Schadstoffemissionen konsequent senken und die Perspektive des unfallfreien Straßenverkehrs Wirklichkeit werden lassen möchte.

(Der dritte und letzte Teil der Berichterstattung zu Continental wird sich mit Neuerungen bei, in und auf den Pkw-Reifen befassen.)
Quellen
    • Foto: Continental | Text: Kristian Glaser (kb)