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Vor der IAA: Boomende SUV in der Kritik
SUV erstmals stärkstes Pkw-Segment | Kritik: zu groß, zu schwer, zu gefährlich, zu dreckig | Kommt CO2-Steuer auf SUV?

RobGal

Im vergangenen Jahr war bereits mehr als jeder fünfte neuzugelassene Pkw auf bundesdeutschen Straßen ein SUV, und der Trend hält an. Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) übernahmen die SUV im August mit 22 Prozent Marktanteil erstmals die Spitzenposition unter den Autoklassen, und zwar gleich mit einem Abstand von über drei Prozentpunkten zu den Kompaktwagen, dem bisherigen Lieblingssegment der Autokäufer.
Die Idee zum ersten SUV hatte Anfang der 90er Jahre Toyota. Der japanische Autobauer wollte mit dem RAV4 die Vorteile eines Pkw mit denen eines Geländewagens verbinden, günstiger sollte der Wagen sein und nicht so schwerfällig wie ein Offroader.

Im Deutschen fehlt das Wort, das ein „Sport Utility Vehicle“ treffend bezeichnet. „Sportlicher Geländewagen“ trifft es so wenig wie „Großraumlimousine“. Ein heutiges SUV (man kann das oder der SUV sagen) hat in der Regel kaum noch etwas von einem Geländewagen. Durch die höhere Bodenfreiheit und den möglicherweise eingebauten Allradantrieb ist es höchstens für leichtes Gelände geeignet. Auf jeden Fall sind SUV erheblich voluminöser, schwerer und mit größeren Motoren bestückt als herkömmliche Pkw. Sie bieten viel Platz, eine erhöhte Sitzposition mit besserer Rundumsicht und leichterem Ein- und Ausstieg. Allein durch ihre schiere Masse und Größe vermitteln sie den Insassen das Gefühl, sich im dichten Verkehr wie in einer sicheren Burg zu befinden und quasi über allen anderen zu thronen. Aktuelle Modelle werden zunehmend als SUV-Coupé mit nach hinten abfallender Dachlinie gezeichnet – das verleiht den Dickschiffen auf vier Rädern ein klein wenig Schick und verbessert die Aerodynamik.

Mittlerweile bieten nahezu alle namhaften Autohersteller mindestens ein SUV-Modell an, in Europa vornehmlich auf Kleinwagen-, Kompaktwagen- und Mittelklasselänge, in den USA auch erheblich wuchtiger. Für die Autobauer ist es ein lukratives Geschäft, denn Umsatz und Rendite fallen deutlich höher aus als bei Klein- und Kompaktwagen.

Mit zunehmender Verbreitung geraten die grobschlächtigen Vehikel immer stärken in den Fokus der Kritik. Sicherheitsexperten bemängeln, dass die SUV bei einer Kollision allein durch ihre Masse und ihre höhere Karosserie schwerere Verletzungen verursachen. Zudem sind sie im Stadtverkehr schwierig zu manövrieren und erschrecken durch ihre massige Erscheinung Fußgänger und Radfahrer. Kommunalpolitiker monieren, dass sie viel Platz beanspruchen und die Infrastruktur belasten. Umweltschützer problematisieren den Verbrauch und die Emissionen; 2017 betrug die durchschnittliche Motorleistung eines Neu-SUV 170 PS, bei allen Neu-Pkw – inklusive der SUV – lag sie zehn Prozent darunter. Nach Berechnungen von Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen wies ein durchschnittliches Neu-SUV im ersten Halbjahr 2019 einen CO2-Ausstoß von 144 g/km auf, während alle neuen Pkw zusammen auf 133 g/km kamen.

Kurz vor der Internationalen Automobilausstellung (IAA), die am 12. September in Frankfurt am Main unter dem verheißungsvollen Motto „Driving tomorrow“ (etwa „(Das) Morgen fahren“) eröffnet wird, nehmen die Forderungen zur Eindämmung des SUV-Booms zu. Das Umweltbundesamt (UBA) will mit dem Vorschlag eines Bonus-Malus-Systems den Kauf klimafreundlicherer Autos begünstigen, indem die Kfz-Steuer für Autos mit hohem CO2-Aufkommen erhöht wird und die Erlöse zur Förderung des Kaufs von Autos mit niedrigen Emissionen eingesetzt werden. Außerdem schlägt das UBA vor, die Steuervergünstigung beim Diesel zu streichen – wegen der geringeren Kosten beim Tanken wählen Käufer eines PS-starken Autos mit hohem Verbrauch gern einen Selbstzünder.

Der ADAC wirbt dafür, die Kfz-Steuer künftig ausschließlich am CO2-Ausstoß zu bemessen. Autoexperte Dudenhöffer empfiehlt den Autoherstellern, für den deutschen Markt ganz auf die ganz großen „SUV-Monster“ zu verzichten, weil sie das Markenimage gefährdeten. So lasse sich „mehr Glaubwürdigkeit in der Klimadebatte erzielen“.

Politische Kontroverse

Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, möchte erreichen, dass die Autoindustrie angehalten wird, „gezielt emissionsarme Pkw anzupreisen“. Ingrid Remmers, Verkehrspolitikerin der Linken, hält die SUV für „völlig übermotorisierte Panzermodelle“, die den Klimaschutz „ad absurdum“ führten. Die Parlamentarierin fordert, das Dienstwagenprivileg für SUV abzuschaffen.

Dagegen wendet sich die FDP. Die Partei argumentiert, dass es nicht zuletzt ältere Menschen seien, die SUV wegen der erhöhten Sitzposition schätzten. Der Vorsitzende Christian Lindner meint, dass man sich zum Klimaschutz am tatsächlichen CO2-Ausstoß orientieren solle. „Ein Diesel-SUV, das nur wenige Kilometer genutzt wird, ist umweltfreundlicher als der Kleinwagen mit hoher Fahrleistung“, sagte der Liberale. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) setzt ganz auf den Elektroantrieb, damit der Verkehrsbereich seinen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele erreiche.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) betont, dass die bundesdeutschen Hersteller in den vergangenen Jahren den CO2-Ausstoß bei den SUV am stärksten von allen Segmenten reduziert hätten, nämlich um 35 Prozent. Im Kleinwagensegment seien es 24 Prozent gewesen. Um der Zwickmühle von Gewinnrealisierung und öffentlich erwarteter Umweltverantwortung zu entkommen, wird – neben Gewichtsreduzierung und Motoroptimierung – zunehmend auf alternative Antriebe gesetzt. So bietet Audi seit einem halben Jahr den E-Tron als vollelektrisch Oberklasse-SUV an (80.900 Euro Grundpreis), gebaut im CO2-neutralen Werk in Brüssel.
Ob das reicht?
Quellen
    • Foto: Hyundai | Text: Olaf Walther/Kristian Glaser (kb)