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In alten KB-Ausgaben geblättert: Die IAA im Jahr 1969
Sicherheit und Leistung – 1969 läutete eine neue Ära ein. Nach der Kleinwagen-Zeit der 50er Jahre traten verstärkt die Mittelklassewagen auf den Plan.

RobGal

September 1969, vor genau fünfzig Jahren: Die 44ste Auflage der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt markiert eine neue Ära, die Messe mausert sich zu der Großveranstaltung von weltweiter Bedeutung, die sie heute, wenn auch mit Problemen, ist. Neben den Höhepunkten aus der Pkw-Welt wurden damals auch die Neuheiten der Lkw-Branche präsentiert – erst seit 1992 haben die Nutzfahrzeuge in Hannover eine eigene IAA.
Immerhin 1.385 Aussteller hatten sich 1969 für das Frankfurter Messegelände angemeldet. Von den Herstellern waren 61 „Autowerke“ aus zwölf Ländern dabei. Die meisten, nämlich 17, kamen aus der damaligen Bundesrepublik. Aus Italien rückten zwölf an, aus Frankreich und Großbritannien jeweils acht Hersteller. Zum Vergleich: Für die IAA 2019, eine reine Pkw-Veranstaltung, sind 800 Aussteller aus dreißig Ländern angekündigt, vorneweg 79 Unternehmen aus China. Insgesamt werden sich 2019 – nach etlichen Absagen – mehr als dreißig Autobauer, große wie kleine, den Ausstellungsbesuchern präsentieren.

Das zarte Pflänzchen Umweltschutz

Die IAA-Themen waren damals interessanterweise ähnlich wie heute: Umweltschutz war vor fünfzig Jahren noch ein zartes Pflänzchen, vor allem gehörten Sicherheit und Leistung zu den Schlagworten.

In Sachen Umweltschutz stand eine neue Zeit an. Unter dem Eindruck der damaligen Abgasbestimmungen – in der Europäischen Gemeinschaft (EG) sollten 1970 die ersten einheitlichen Emissionsvorschriften in Kraft treten – hatten BMW, Opel, Porsche und Volkswagen, aber auch Saab und Volvo Automodelle mit elektrischer oder mechanischer Einspritzung statt des bisherigen Vergasers zur IAA mitgebracht. Gürtelreifen wie auch das automatische Getriebe befanden sich weiter auf dem Vormarsch.

Eines der Hauptthemen der IAA von 1969 war die Verkehrssicherheit. Denn allein in den ersten sechs Monaten des IAA-Jahres waren knapp 6.800 Verkehrstote in Westdeutschland zu beklagen – dem musste gegengesteuert werden. (Heute sterben 3.300 Menschen jährlich im Straßenverkehr der Bundesrepublik – was immer noch zuviel ist.)

Sicherheitstechnologisch hoch im Kurs standen bei der IAA vor fünfzig Jahren Scheibenbremse und Sicherheitslenkrad. Der erste Außenspiegel „ohne toten Winkel“, erreicht durch ein abgewinkeltes Design, wurde ebenso bestaunt wie die Leuchte im Armaturenbrett, die vor abgefahrenen Bremsbelägen warnte. Hingucker bei Porsche und Volkswagen waren die „eingebauten“ Kopfstützen gegen das Schleudertrauma, bei Volvo waren die Stützen sogar ausziehbar. Auch der Komfort wurde großgeschrieben. So zeigte Renault in R15 und R16 TS Scheinwerfer, zu deren Höhenverstellung man nicht eigens aussteigen musste, weil man sie fortan bequem vom Fahrersitz aus verändern konnte.

Die größte Attraktion auf der 44. IAA war der Mercedes-Sportwagen C 111, das „erste Auto der Welt, das ein Dreischeiben-Wankelmotor antreibt“, schrieb damals der kraftfahrt-berichter. Weil unklar war, ob sich der Rotationskolbenmotor nach Wankel gegen das Hubkolbenaggregat durchsetzen würde, arbeitete Mercedes-Benz an beiden Motortypen. Der C 111 war ein schnittiges Versuchsfahrzeug mit Kunststoffkarosserie. Der 3,6 Liter große Wankelmotor verfügte über Direkteinspritzung und war mit einem Fünfgangschaltgetriebe gekoppelt. Seine 280 PS sorgten für eine Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h, von 0 auf 100 brauchte der Zweisitzer nur fünf Sekunden. Zur Ausstattung gehörten Zweikreisbremsen, Schalensitze, in die Karosserie versenk- und zudem schwenkbare Scheinwerfer sowie zwei 60-Liter-Benzintanks, die an der Seite des Wagens untergebracht waren.

Nach der Kleinwagen-Zeit in den 50er Jahren traten in den 60ern verstärkt die Mittelklassewagen auf den Plan. Bei „Audi NSU Auto Union“, wie die VW-Tochter nach der soeben erfolgten Fusion von Auto Union und NSU damals hieß, entzückte das attraktive Audi 100 Coupé die Besucher. Es war die erste Generation der erfolgreichen Obere-Mittelklasse-Baureihe, die heute vom Audi A6 fortgesetzt wird. Der Zweitürer war nicht nur ein echter Hingucker, sondern auch das schnellste Modell im Programm des Ingolstädter Herstellers. Unter der Haube des „bildhübschen Wagens mit den runden Doppelscheinwerfern“, so der kraftfahrt-berichter damals, arbeitete ein längs eingebauter 1,9-Liter-Motor mit zwei Registervergasern. Der Motor leistete 115 PS, was dank der aerodynamisch günstigen Coupé-Form für 185 km/h Spitze reichte.

Britische Kombi-Limousine

Ein IAA-Glanzstück der besonderen Art war der Austin Maxi von British Leyland: „Limousine, Kombi und Transporter in einem“, schrieb kb-Chefredakteur Hermann Glaser über den sehr geräumigen, aber unförmig wirkenden Mittelklässler, dem nicht zuletzt wegen Verarbeitungsproblemen kein großer Erfolg beschieden sein sollte. Die „Kombi-Limousine mit den fünf Türen und fünf Gängen“, so der kb-Autor, hatte einen 1,5-Liter-Vierzylinder-Motor mit 68 PS und schaffte eine Spitzengeschwindigkeit von 148 km/h. Für 8.857 Mark war er in Deutschland zu haben.

BMW stellte sein erstes Auto mit Benzineinspritzung vor. Der Mitteklasse-Viertürer 2000 tii (das zweite i steht für „Injection“) hatte einen 1,9-Liter-Vierzylindermotor, der 130 PS leistete und 180 km/h schnell wurde. Die Baureihe wurde später zum – für die Bayern wichtigen – 5er.

Politisch stand die IAA unter dem Eindruck der 68er-Proteste und der Bundestagswahl. In deren Ergebnis wurde die erste sozialliberale Koalition gebildet und Willy Brandt zum ersten SPD-Kanzler der Bundesrepublik gewählt.
Quellen
    • Foto: © julien tromeur - Fotolia.com | Text: Beate M. Glaser (kb)