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PKW-Maut: Eine Warnung aus Norwegen
Stetig steigende Mautzahlungen führten zu starken Protesten, die fast die Regierung in Oslo zum Platzen brachten

RobGal

Nach dem gerichtlichen Aus einer Pkw-Maut in Deutschland werden immer neue Variationen einer Straßengebühr gefordert: eine City-Maut, eine Öko-Maut, eine Transporter-Maut, sogar eine Maut für alle. Derweil lässt sich in Norwegen beobachten, was dabei passieren kann: Die Proteste gegen die Maut haben dort so zugenommen, dass die Regierung in Oslo zwischenzeitlich sogar vor dem Aus stand.
Die Pkw-Maut erhitzt seit vielen Jahren die Gemüter in dem skandinavischen Land. Rund um die nun bevorstehenden Kommunalwahlen ist sie sogar Thema Nummer eins geworden, sehr zum Missfallen der Mitte-rechts-Regierung.

Die großen Anti-Maut-Proteste begannen 2014, als das Kommunalparlament der südwestnorwegischen Stadt Stavanger das erste große „bompengepakke“ (Maut-Paket) beschloss. Damit wurden umgerechnet knapp drei Milliarden Euro bis zum Jahr 2033 für den Ausbau von Straßen, ÖPNV und Fahrradwegen in der Region bewilligt. Das Geld sollte durch die Maut beschafft werden. Das proklamierte Ziel war, sowohl den Straßenverkehr als auch den ÖPNV zu verbessern.

Andere Kommunen folgten schnell dem Beispiel Stavangers, sich die Mittel für nötige Infrastrukturinvestitionen bei den Autofahrern zu holen. Seitdem entstehen in dem mit 5,4 Millionen Einwohnern dünn besiedelten Land immer mehr Mautstationen. 2018 waren es bereits 228, ein Drittel mehr als noch fünf Jahre zuvor.

Die Summen, welche die Autofahrer aufbringen müssen, sind enorm: Rechnungen in Höhe von insgesamt 4.000 Euro pro Jahr sind keine Seltenheit, eine soziale Staffelung der Gebühren gibt es nicht. Wer in der Provinz lebt – was für die meisten Norweger gilt – und „in die Stadt“ fahren muss, für den schlagen die Mautzahlungen auf die Dauer kräftig zu Buche.

Grob lassen sich zwei unterschiedliche Maut-Arten unterscheiden: einerseits zur Finanzierung von Autobahnen, Brücken und Tunnels und andererseits sogenannte Maut-Ringe als Instrument, um die Innenstädte vor Autoabgasen, Feinstaub und Lärm zu schützen und um gleichzeitig ÖPNV, Geh- und Fahrradwege zu finanzieren. Teilweise wird die Maut auch nur zu den Stoßzeiten erhoben.

2017 beschloss das Storting, das norwegische Parlament, die „umweltdifferenzierte“ Maut: Elektro- und Hybridautos müssen seitdem nur die Hälfte oder gar nichts bezahlen. Nun werden aber die Fahrer dieser Autos von anderen geschnitten und zugeparkt. Dabei sind es nicht nur Besitzer von teuren Karossen, die als Sündenböcke für die Entscheidungen der Regierung herhalten müssen.

Den Nerv der Genervten getroffen

2014, im Jahr des Beschlusses von Stavanger, gründete sich auch „Folkeaksjonen nei til mer bompenger“, die „Volksaktion Nein zu noch mehr Maut“. Die Partei entsendet bereits drei Repräsentanten in Stavangers 67köpfigen Stadtrat und strebt Mandate in weiteren Kommunen an. Die Anti-Maut-Partei stellt programmatisch ein populistisches Mischmasch dar: In den regional unterschiedlichen Programmen ist sie oft für soziale Themen, manche ihrer Anhänger wenden sich aber auch gegen Migranten oder Windkraftanlagen. Wer beim norwegischen „Wahlomat“ überall „weiß nicht“ angibt, landet im Ergebnis bei „Folkeaksjonen“. Mit Aktionen und emotionalisierender Rhetorik („Ich und mein Auto“, „Ich und meine Familie“) treffen sie offenbar den Nerv vieler Genervten, haben allerdings kein schlüssiges Konzept, weder für den Verkehr noch für die Umwelt oder die soziale Sicherheit. Genau genommen kanalisieren sie die Unzufriedenheit über das Auseinanderklaffen der sozialen Schere, die auch in Norwegen erkennbar zunimmt.

Zum politischen Problem ist die Partei vor allem für die rechtspopulistische Fortschrittspartei geworden, die mit fremdenfeindlichen Parolen und mit Anti-Maut-Losungen zur Regierungspartei aufsteigen konnte, nun aber die hohen Mautkosten mitzuverantworten hat. Ihre Zustimmungswerte weisen nach unten.

Seit Monaten ist die Regierung zerstritten, stehen sich „contra Maut“ und „pro Klima“ scheinbar unversöhnlich gegenüber. Eine Zeit lang sah es sogar danach aus, als würde die seit 2013 bestehende bürgerliche Koalition kippen. Nach einem Ultimatum der konservativen Regierungschefin Erna Solberg einigte man sich unter dem Eindruck der Proteste schließlich darauf, sowohl die Maut-Belastung zu verringern als auch die Investitionen in die Infrastruktur und den ÖPNV zu erhöhen und die Preise für Bus und Bahn zu senken.

Ob sich die Norwegerinnen und Norweger damit zufriedengeben, ist nicht ausgemacht. Die Regierungsparteien bleiben uneinig und auf der anderen Seite profitiert die oppositionelle „Grüne Umweltpartei“ (Miljøpartiet De Grønne) von der erstarkten Klimabewegung. Sie sprechen sich für die Maut als politisches Instrument zur Verringerung des Straßenverkehrs aus und verbinden das mit einem seriösen Umweltprogramm. Für die im grünen Programm fehlende soziale Komponente, an der sich die Mautproteste entzündeten, würden in einer stabilen Regierungsalternative dann wohl die Sozialdemokraten und eventuell linkere Parteien sorgen müssen.

Eine Warnung aus Norwegen an die Mautbefürworter in Deutschland.
Quellen
    • Foto: © ufotopixl10 - Fotolia.com | Text: Gunhild Berdal (kb)