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Kommentar VDA-Krise: Hilft Gabriel aus der Not?
Hildegard Müller von der CDU und Sigmar Gabriel von der SPD sind für den Chefposten beim VDA im Gespräch | Beide gut verankert in Politik und Wirtschaft

RobGal

Der bis zum Jahresende amtierende Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), der vormalige Ford-Manager Bernhard Mattes, kündigte vor gut sechs Wochen überraschend seinen Rücktritt an, mitten auf der wichtigen Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt. Gerüchten zufolge soll es Kritik von Seiten der Autohersteller gegeben haben, dass der VDA unter Mattes’ Leitung nicht genügend Unterstützung durch die Politik in Berlin und Brüssel erhalten habe. Während der IAA im September hatte es lautstarke Protestaktionen für eine ökologische Verkehrswende gegeben, die in der Öffentlichkeit auf ein großes Echo stießen und die Autowirtschaft in Erklärungsnot brachte. Zudem sanken die Besucherzahlen der IAA beträchtlich.
Nun wurde öffentlich, dass für Mattes’ schwierige Nachfolge eine Kandidatin und ein Kandidat in den Startlöchern stehen sollen. Die eine ist Hildegard Müller, Mitglied der CDU. Sie war von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt bei Angela Merkel und gehört heute dem Vorstand des Energieunternehmens Innogy, einer Eon-Tochter und ursprünglichen RWE-Ausgliederung, an.

Der andere Kandidat ist Sigmar Gabriel, von 2009 bis 2017 SPD-Vorsitzender und fünf Jahre Vizekanzler im Kabinett von Angela Merkel. Er amtierte zudem als Bundesminister für Umwelt, für Wirtschaft und für Äußeres. Vor seinem Eintritt in die Bundespolitik war er um die Jahrtausendwende bereits niedersächsischer Ministerpräsident und Mitglied im Aufsichtsrat von Volkswagen gewesen. Gabriel erfreut sich ziemlicher Bekanntheit. Beiden Kandidaten ist zu eigen, dass sie eine enge Verbindung zwischen einerseits Automobilunternehmen und andererseits Politik und Verwaltung herstellen können.

Zuerst hatte „Bild am Sonntag“ berichtet, dass Müller und Gabriel für das Spitzenamt im mächtigen VDA gehandelt werden. Gabriel dementierte den Bericht, allerdings nicht besonders deutlich, als er sagte, noch keine offizielle Anfrage vom VDA erhalten zu haben.

Gleichwohl wurde bereits vielstimmige Kritik laut. Norbert Walter-Borjans, früherer Finanzminister von Nordrhein-Westfalen und aussichtsreicher Kandidat für den SPD-Vorsitz, ist sicher, dass Gabriels Kandidatur auf Widerstand innerhalb der SPD stoßen werde. Gabriel mache das als eigenständige Persönlichkeit, unterstrich Walter-Borjans, nicht als Führungsperson der Sozialdemokratie. Fabio De Masi von der Linken merkte süffisant an, dass Gabriel sein Telefonbuch der Autoindustrie zur Verfügung stellen werde. Das schaffe kein Vertrauen in Politiker, kritisierte der Bundestagsabgeordnete.

Öffentliche Debatte um höchsten VDA-Posten
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) moniert die enge Verbindung zwischen Autolobby und Politik. Zudem sei die Nähe von Gabriel zu Volkswagen offenkundig, was eine Präferenz für die von dem Wolfsburger Konzern verfolgte Elektroautostrategie bedeute. Andere Hersteller wie beispielsweise BMW oder Daimler verfolgten dagegen einen technologieoffeneren Ansatz und forschten auch an der Brennstoffzellentechnologie.

Während also um Sigmar Gabriels mögliche Ambition bereits heiße Debatten geführt werden, ist es um Hildegard Müller noch sehr ruhig. Trotzdem ist die Neubesetzung des höchsten VDA-Postens bereits zu einer öffentlichen Angelegenheit geworden, ist der Verband doch die gemeinsame Interessenvertretung der bundesdeutschen Autohersteller und Zulieferer und damit die Lobbyvereinigung eines der wichtigsten Wirtschaftszweige in Deutschland und Europa.

Der Führungswechsel beim VDA erfolgt in Zeiten des tiefen Umbruchs. Die Branche hat es nicht leicht: Wie werden die Herausforderungen der Zukunft gemeistert? Der Imageschaden durch den Dieselskandal? Die Konjunktur- und Absatzschwäche? Die kriselnde IAA? Neue Antriebe? Die steigende Verkehrsdichte? Das unreife autonome Fahren? Die Verantwortung für Umwelt und Klima?

Öffentlichkeit und Verbraucher wollen wissen, ob die praktisch unausbleibliche Verbindung von Wirtschaft und Staat transparent gestaltet wird. Mehr noch: Kommen Verkehrs- und Energiewende voran? Werden die sozialen Aspekte beim Umbruch berücksichtigt? Wird der Datenschutz beim autonomen Fahren beachtet? Wird die Verkehrssicherheit ausreichend berücksichtigt? Wie werden die großen Aufgaben, auch im kleinen, tatsächlich bewältigt? Fragen über Fragen, eine drängender als die andere, und alle von strategischer Reichweite.

Wer also ist die richtige Person in diesem Amt?
Quellen
    • Foto: VDA | Text: Olaf Walther (kb)