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Der Kläger ist qualifizierter Kfz-Sachverständiger. An ihn ist vom Geschädigten der Schadensersatzanspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten aus dem Unfallereignis vom 9.1.2014 erfüllungshalber abgetreten worden.
Der Unfall ist von der beklagten Fahrerin des Kraftfahrzeuges alleine verursacht worden. Die hinter derBeklagten stehende Kfz-Haftpflichtversicherung hat den Schaden im Wesentlichen reguliert. Allerdings wurden die berechneten Sachverständigenkosten um 68,49 € gekürzt. Wegen des Kürzungsbetrages nahm der Kfz-Sachverständige aus abgetretenem Recht nicht die Kfz-Versicherung, sondern die Unfallverursacherin persönlich in Anspruch. Die Klage auf Erstattung der restlichen Sachverständigenkosten wurde vom angerufenen Amtsgericht Bochum abgewiesen.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat aus abgetretenem Rechtkeinen Anspruch auf Zahlung von weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 68,49 €. Zwar hat der Geschädigte eines unverschuldeten Verkehrsunfalls grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Sachverständigenkosten. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durch zuführen (BGH DS 2007, 144). Das gilt auch für die Höhe der Sachverständigenkosten. Maßgeblich ist demnach, ob die sich die vom Kläger aus abgetretenem Recht geltend gemachten Sachverständigenkosten nach den anzuwendenden schadensrechtlichen Gesichtspunkten imRahmen des zur Wiederherstellung erforderlichen halten.

Ein Geschädigter kann grundsätzlich als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen. Dabei ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst günstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt, dass er ohne nähere Erkundigungen einen Sachverständigen beauftragt, der sich später im Prozess als zu teuer erweist (BGH DS 2007, 144). Dabei hat der Geschädigte darzulegen und zu beweisen, dass er sich im Rahmen des Erforderlichen gehalten hat. Entsprechende Feststellungen kann das Gericht auch im Rahmen der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO treffen.

Zur gerichtlichen Schadensschätzung legt das erkennende Gericht die BVSK-Honorarbefragung 2013 zugrunde. Danach sind die berechneten Positionen EDV-Kosten und Audatex-Datenkosten nicht in der Honorarbefragung aufgeführt. Diese Kosten sind in Abzug zu bringen. Unter Berücksichtigung der Zahlung der hinter der Beklagten stehenden Kfz-Haftpflichtversicherung bleibt daher kein Anspruch mehr übrig. Die Klage war daher abzuweisen.

Fazit und Praxishinweis: Das Urteil erscheint in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft zu sein. Zum einen sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen, wenn der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen wahrt (BGH DS 2007, 144; BGH VersR 2004, 1189, 1190). Das gilt auch für die Höhe der Sachverständigenkosten (BGH DS 2007, 144).Der Geschädigte wahrt den Rahmen des Erforderlichen, wenn er nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall einen qualifizierten Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens beauftragt, weil es ihm selbst nicht möglich ist, den Umfang und die Höhe des Schadens festzustellen. Insoweit gehören die Kosten des Schadensgutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 I BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, wenn die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig ist.

Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn der Schaden erkennbar über einen Geringschaden (reine Lackschäden ohne Beschädigung des Blechs [BGH WM 1987, 137; BGH WM 1982, 511; BGH DS 2008, 104, 106]) hinausgeht. Ebenso können die Kosten des Sachverständigengutachtens zu dem nach § 249 II 1 BGB erforderlichen Wiederherstellungsaufwand gehören, wenn eine vorherige Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist (BGH NJW 2007, 1450 ff =DS 2007, 144 ff. m. zust. Anm. Wortmann). Zum anderen ist bei der gerichtlichen Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO lediglich der Gesamtbetrag des Schadens, nicht jedoch einzelne Positionen der Schadensrechnung maßgeblich, denn § 287 ZPO gibt dem Gericht das Recht, die Höhe des Schadens zu schätzen. Dabei ist jedoch die BVSK-Tabelle keine geeignete Schätzgrundlage, denn der BGH hat selbst entschieden, dass der Geschädigte die Ergebnisse der Befragung des BVSK nicht kennen muss (BGH DS 2014, 90).

Was der Geschädigte bei seiner Ex-ante-Sicht allerdings nicht kennen muss, kann ihm im Nachhinein, quasi ex-post, nicht angerechnet werden. Was der Geschädigte nicht zur Grundlage seiner Plausibilitätsprüfung machen kann, weil er es nicht kennt und auch nicht kennen muss, kann ex-post nicht Grundlage einer Schadenshöhenschätzung des Gerichts gemacht werden. Zum Weiteren ist lediglich entscheidend, ob der Geschädigte die berechneten Kosten erkennbar erheblich überhöht erkennen musste, wobei die Darlegungs- und Beweislast beim Schädiger liegt (BGH DS 2014, 90; BGH VersR. 2014, 1141 Rn. 19). Eine für den Geschädigten erkennbare eklatante Überhöhung dürfte erst dann vorliegen, wenn die berechneten Kosten insgesamt 50 Prozent über den branchenüblichen Preisen liegen. Das war nicht der Fall, so dass auch vermeintlich überhöhte Sachverständigenkosten zu ersetzen sind, weil der vom Geschädigten beauftragte Sachverständige nicht sein Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB ist. Vielmehr kann der Schädiger den Vorteilsausgleich suchen, indem er sich den vermeintlichen Bereicherungsanspruch abtreten lässt und dann im Wege des Regresses vorgeht (Imhof/Wortmann DS 2011, 149 f.).

Mit der BVSK-Honorarbefragung wird lediglich die Angemessenheit der Kosten der befragten Sachverständigen festgestellt. Im Schadensersatzrecht kommt es aber nicht auf die Angemessenheit, sondern auf die Erforderlichkeit an. Auch unangemessene Kosten können erforderlich im Sinne des § 249 BGB sein.
Quellen
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