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Am 13.10.2014 ereignete sich in Obertshausen ein Verkehrsunfall, bei dem der PKW des späteren Klägers erheblich beschädigt wurde. Die Schuld am Zustandekommen des Unfalls trägt der Fahrer des bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherten Fahrzeugs.
Nach dem Unfall beauftragte der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Das Gutachten vom 16.10.2014 gab einen Restwert von 370,-- € netto an.

Am 18.10.2014 veräußerte der Geschädigte das Unfallfahrzeug für 440,-- €. Am 23.10.2014 übermittelte die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung ein Restwertgebot von 2.710,-- €. Unter Bezugnahme auf dieses Restwertgebot nahm die beklagte Haftpflichtversicherung die Regulierung des Schadens vor. Der Kläger beansprucht den Differenzbetrag zwischen dem angerechneten Restwertgebot und dem tatsächlich erzielten Restwert . Dies macht 2.270,- € aus (2710,-- € minus 440,-- €). Die Klage vor dem Amtsgericht Offenbach hatte Erfolg.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger kann von der beklagten Kfz-Versicherung die Erstattung des weiteren Betrages von 2.270 € gemäß den §§ 249 ff. BGB verlangen. Der sogenannte Kfz-Schaden stellt eine erstattungsfähige Schadensposition im Rahmen der Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall dar. Bei der Berechnung des Kfz-Schadens ist im Falle eines wirtschaftlichen Totalschadens zur Ermittlung der zutreffenden Schadenshöhe ein etwa vorhandener Restwert des verunfallten Fahrzeugs zu ermitteln und vom Wiederbeschaffungswert in Abzug zu bringen. Die Parteien streiten, in welcher Höhe ein vorhandener Restwert zu Lasten des Klägers bei der Schadensberechnung des Fahrzeugschadens in Abzug zu bringen ist, nämlich in Höhe von 440 €, wie er tatsächlich erzielt wurde, oder in Höhe von 2.710 €, wie die Versicherung ihn angeboten hat. Im vorliegenden Rechtsstreitbraucht nicht entschieden zu werden, ob der Kläger wegen einer ihm obliegenden Schadensgeringhaltungsverpflichtung gehalten war, der beklagten Versicherung – gegebenenfalls unter Fristsetzung – zu ermöglichen, selbst ein Restwertangebot herbeizuführen und dem Kläger zu übermitteln. Auch kommt es nicht darauf an, welche Wartepflichten ihn diesbezüglich gegebenenfalls treffen könnten.

Entscheidend ist vielmehr, dass der Kläger als Geschädigter unstreitig Herr des Restitutionsgeschehens war. Er konnte und durfte jederzeit über sein verunfalltes Kraftfahrzeug, das in seinem Eigentum stand, frei verfügen und dieses auch verkaufen. Vorliegend konnte er das von der Beklagten übermittelte Restwertangebot gar nicht mehr annehmen, da zu diesem Zeitpunkt das verunfallte Fahrzeug bereits veräußert war. ihm dieses erst am 26.10.2014 zugegangen war, während er bereits am 18.10.2014 sein Fahrzeug verkauft hatte. Soweit man allerdings der Meinung ist, der Kläger müsse sich auf ein höheres, von der Beklagten organisiertes Restwertangebot verweisen lassen, so kommen als berücksichtigungsfähige Restwertangebote nur solche in Betracht, deren Annahmen für den Geschädigten zumutbar sind.

Der Kläger muss sich bei der Schadensabrechnung hier aber bereits deswegen nicht auf das von der Beklagten übermittelte Restwertangebot verweisen lassen, weil dieses nicht unkompliziert, kostenfrei und unproblematisch anzunehmen war. Insbesondere war dem von der Beklagten übermittelten Restwertangebot auch nicht zu entnehmen, dass das Fahrzeug des Klägers vom Aufkäufer gegen Barzahlung abgeholt worden wäre, also ein unmittelbarer Leistungsaustausch erfolgen sollte. Der Kläger hat bei der von ihm durchgeführten Verwertung jedoch sein Fahrzeug gegen unmittelbare Barzahlung verkaufen wollen und können, wie sich aus dem Kaufvertrag vom 18.10.2014 ergibt.Schon aus diesem Grunde war das Angebot nicht vergleichbar. Mit der tatsächlich durchgeführten Veräußerung. Darüber hinaus hatte der Kläger durch Sachverständigengutachten einen Restwert für sein verunfalltes Fahrzeug ermittelt bekommen, das auf drei vom Sachverständigen eingeholten Angeboten aus dem regionalen Umfeld basierte. Da der Kläger einen vergleichbaren Betrag erzielt hat, durfte er davon ausgehen, auf ein realistisches Restwertangebot bei seinem Verkauf eingegangen zu sein. Demgegenüber belief sich das von der Beklagten organisiertes Restwertangebot auf circa das Siebenfache des vom Gutachter ermittelten Restwertes.

Die Beklagte hat nicht erklärt, wie ein derartig hohes Restwertgebot zu Stande kommen konnte. Der Kläger hätte sich in der Tat fragen dürfen, inwieweit es sich bei dem von der Beklagten übermittelten Angebot überhaupt um eine seriöse Offerte handelte. Insoweit kann ein Geschädigter aber nicht gezwungen werden, mit Personen geschäftliche Verbindungen einzugehen, deren eventuelle Risiken für ihn nicht überschaubar sind (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 19.1.2010 - 22 U 49/08 - ). Hinzu kommt, dass das Restwertangebot einen Aufkäufer aus Berlin betraf. Anders lagen die Dinge aber bei dem vom Kläger gewählten Ankäufer, der in der Nähe des Klägers, und zwar in der Wetterau, seinen Sitz hat. Der Kläger muss sich bei der Schadensberechnung nicht auf das Angebot verweisen lassen. Er hat vielmehr einen Anspruch auf Erstattung der eingeklagten weiteren 2.270,--€.

Fazit und Praxishinweis: Bei der Anrechnung von Restwerten sind grundsätzlich nur solche Angebote zu berücksichtigen, die auf dem regionalen allgemein zugänglichen Markt erzielt werden können. Auf Angebote aus dem Internetrestwertmarkt muss sich der Geschädigte grundsätzlich nicht verweisen lassen. Im Übrigen muss die Annahme der von den Kfz-Haftpflichtversicherern übermittelten Restwertgebote für den Geschädigten zumutbar sein. Dies ist regelmäßig nicht der Fall, wenn das Restwertgebot der Höhe nach nicht erläutert ist. Auch Restwertangebote weit entfernter Restwertaufkäufer muss der Geschädigte grundsätzlich nicht akzeptieren. Dies gilt insbesondere für Aufkäufer aus osteuropäischen Staaten.
Quellen
    • Foto: Archiv Unfallzeitung