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Requiem für eine ungewöhnliche Automarke
Wie ein Hersteller von schönen Autos für Individualisten zugrunde gerichtet wurde

RobGal

Wie heißt es so unschön in vielen Sterbeanzeigen: "verschied nach langem schweren Leiden". Es könnte auch das Motto für das qualvoll-unwürdige Ende des schwedischen Autoherstellers Saab sein.
Keine andere Automarke ist so viele Tode gestorben, keine schrieb ein so trauriges Kapitel der Automobilgeschichte. Aber der Reihe nach: Saab, das war die Marke der Intellektuellen, der nonkonformistischen Freiberufler, Apotheker und Studienräte, die nicht hinterm Lenkrad eines Audi, BMW oder Mercedes und nicht einmal eines Volvo sitzen wollten. So etwas wie eine Pippi-Langstrumpf-Marke. In Deutschland eher eine Seltenheit, in Großbritannien dagegen öfter gefahren, erfolgreich auch in den USA. Eigentlich ein recht junger Autohersteller. Saab ging kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem gleichnamigen, 1937 gegründeten Flugzeughersteller und Rüstungskonzern hervor, der nach der Kriegszeit für seine Beschäftigten ein ziviles Tätigkeitsfeld suchte.

Den ersten Pkw stellte das Unternehmen, dessen Name ein Akronym aus "Svenska Aeroplan Aktiebolaget" darstellt, 1947 mit dem Saab 92001 vor, der ab 1949 als Saab 92 in Serie produziert wurde. Das Erbe aus der Luftfahrtindustrie konnte man dem damals ungewöhnlich windschlüpfigen Auto ansehen. Unter der Motorhaube arbeitete ein Zweitaktmotor von DKW mit 35 PS. Sportlich war er auch, trat 1950 bei der Rallye Monte Carlo an. 1962 und 1963 war es der Saab 96, der mit 75-PS-Zweitakter und Eric Carlsson am Steuer den Sieg einfuhr. Die Sporterfolge stärkten das Image.

Auch in der Fahrzeug- und Sicherheitstechnik seiner Zeit voraus

Während der Autobauer aus dem westschwedischen Trollhättan damals wie später seine Motoren immer wieder von anderen Herstellern bezog, war er in der Fahrzeug- und Sicherheitstechnik oft seiner Zeit voraus und zudem recht unkonventionell. Autos mit Charakter. Der Saab 93 mit versteifter Fahrgastzelle war bereits 1959 mit Sicherheitsgurten zu haben. Wenig später folgte der Saab 96 als erstes Auto sowohl mit Scheinwerferwischanlage als auch mit diagonal geteilter Zweikreisbremsanlage. Weil der Zweitakter mittlerweile out war, steckte Saab den robusten V4- Viertakter von Ford unter die Haube. Der Saab 99 hatte seit 1967 das Zündschloss gleich am Schalthebel. Zehn Jahre später trat Saab als erster Hersteller mit einem Benziner mit Turbolader an, der standfest, langlebig und für die damalige Zeit auch sparsam war. Der spätere 900er war das erste Auto mit Pollenfilter. Ein Designschmuckstück war 1987 das 900er Cabrio.

1968 übernahm Saab den schwedischen Lkw-Hersteller Scania-Vabis und fusionierte zu Saab-Scania. Das hielt aber nur bis 1995, dann wurde der Lkw-Bereich aus dem Verbund wieder herausgelöst, der Pkw-Zweig hatte bereits 1990 den Namen Saab Automobile AB erhalten.

Wegen der für die Weltmarktverhältnisse geringen Verkaufszahlen waren die Schweden zunehmend zur Kooperation mit anderen Herstellern gezwungen – und das führte letztlich zu ihrem unaufhaltsamen Abstieg. 1988 kam der 9000 als Gemeinschaftsprojekt mit Fiat und Alfa Romeo heraus. So richtig Fahrt nahm der Abstieg aber erst auf, als 1990 General Motors bei Saab einstieg, im Jahr 2000 Saab komplett übernahm und anschließend nur noch verbrannte Erde hinter ließ. GM, zwanghaft nach US-amerikanischem Muster auf die Vierteljahresgewinnmitteilungen für die Aktionäre fixiert, war (und ist) das Denken in lang- und mittelfristigen Dimensionen oder in Markenidentitäten und Qualitätsvorstellungen fremd. Das bekam Saab schnell zu spüren.

Die Schweden wurden an die deutsche Schwestermarke Opel gefesselt, wo GM bereits mit der Diktatur des roten Stifts die Investitionen für Entwicklung und Qualitätssicherung zusammengestrichen hatte. Saab-Autos wurden auf diese Weise zu aufgefrischten Opel Vectras degradiert. Individualität? Qualität? Das waren Fremdwörter für die GM-Manager im fernen Detroit, die bei ihren europäischen Töchtern mit einer Mentalität regierten, die man heute mit der des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump vergleichen kann. Da wurde an Modellen zusammengemixt, was nicht zusammengehörte – wie beim 9-2x, der lediglich ein Subaru mit Saab-Gesicht war (GM hielt Anfang der 2000er Jahre Anteile an der Subaru-Mutter FHI).

Um im höheren Preissegment abzusahnen, wurde Saab 2001 dazu verdonnert, in seinem Oberklassemodell den Drei-Liter-Sechszylinder der damaligen GM-Tochter Isuzu zu implantieren. Ein Desaster. Der japanische Dieselmotor glänzte teilweise schon nach 20.000 Kilometern durch Totalausfall.
So kam es, dass Saab 2009 Gläubigerschutz beantragen musste. GM ließ die ausgebeutete Tochter einfach fallen und reichte sie an den niederländischen Sportwagenhersteller Spyker weiter. 2011 fuhr Saab in die Pleite.

Das war aber immer noch nicht das endgültige Aus. Das neugegründete chinesisch-schwedische Unternehmen NEVS übernahm im Juni 2012 Anlagen und Immobilien der bisherigen Saab Automobile, um ein Elektroauto zu entwickeln – aber ohne die Rechte auf Markenlogo und Namen. Die gehörten weiterhin dem Rüstungskonzern Saab, und der verbot NEVS im Juni dieses Jahres endgültig die Nutzung des Markennamens Saab. Das bedeutete nun das unwiderrufliche Ende dieser ungewöhnlichen Automarke.
Quellen
    • Text: Otto Küpper (Kb)
    • Foto: Saab