Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

AG Hattingen schätzt erforderliche Gutachterkosten nach BVSK und VKS-BVK
Amtsgericht Hattingen Urteil vom 10.11.2015 – 5 C 101/15 –

RFWW

Die Parteien streiten um restliche, gemäß § 398 BGB erfüllungshalber abgetretene Sachverständigenkosten nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall aus Oktober 2014.
Die geschädigte Kfz-Eigentümerin beauftragte den in Bochum-Wattenscheid ansässigen Kfz-Sachverständigen H. mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Die Schuld am Zustandekommen des Unfalls trägt eindeutig undunbestritten der Versicherte der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung. Diese erstattete auf die abgetretenen Sachverständigenkosten einen um 72,13 € gekürzten Betrag. Dieser Betrag ist Gegenstand des Rechtsstreites. Die Klage hatte Erfolg.

Dem klagenden Sachverständigen steht ein Anspruch gegenüber der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 72,13 € gemäß der §§ 7, 18 StVG, 115 VVG, 249, 398 BGB zu. Die Abtretung des Schadensersatzanspruchs der Geschädigten an den Sachverständigen ist wirksam. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die streitgegenständliche Abtretung nicht zu unbestimmt. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt auch kein Verstoß gegen die Vorschriften der §§ 305c, 307 BGB und § 5 RDG vor. Entgegen der Ansicht der Beklagten umfasst die Abtretungsvereinbarung auch die Nebenforderungen und nicht lediglich nur die Hauptforderung. Soweit die Beklagte auch mit Nichtwissen die Eigentümerstellung der Geschädigten bestreitet, so kann sie damit nicht mehr gehört werden, nachdem die Beklagte bereits vorgerichtlich den größten Teil der Forderung der Geschädigten erfüllt hatte.

Das Kammergericht hat insoweit mit Urteil vom 30.4.2015 – 22 U 31/14 – ausgeführt, dass Zahlungen der eintrittspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung ohne Abgabe weiterer Erklärungen nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis angesehen werden kann, aber die im Nachhinein ins Blaue hinein bestrittene Eigentümerstellung unbeachtlich ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann das erkennende Gericht auch nicht feststellen, dass die geltend gemachten Sachverständigenkosten die Grenzen der Erforderlichkeit und Erstattungsfähigkeit im Sinne des § 249 BGB überschreiten. Zunächst ist an der Berechnung der Sachverständigenkosten in Relation zur Schadenshöhe nichts auszusetzen. Das hat der BGH gerade mit seinem Urteil vom 23.1.2007 – VI ZR 67/06 – (= BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann) bestätigt.

Die Frage, ob die berechneten Kosten des Sachverständigen H. zu teuer sind, muss entweder durch die Beweisaufnahme mit Einholung eines Sachverständigengutachtens ermittelt werden oder vom Gericht gemäß § 287 ZPO geschätzt werden. Das erkennende Gericht hält eine Schadenshöhenschätzung für angemessen. Im konkreten Fall hat das erkennende Gericht eine Schätzung anhand der sog. BVSK-Honorarbefragung 2013 und der VKS/BVK-Honorarumfrage 2012/13 für angemessen. Nach der BVSK-Honorarbefragung liegt das Grundhonorar des Sachverständigen H. leicht über den Sätzen der Honorarbefragung. Legt man allerdings die VKS/BVK-Honorarumfrage 2012/13 zugrunde, liegt das berechnete Grundhonorar von 617,50 € im Rahmen der Werte für Schadenshöhen von bis 6.500,-- €. Ein Durchschnittswert der beiden genannten Honorarumfragen läger bei 645,50 €, so dass das Grundhonorar am oberen Ende liegt, letztlich aber nicht zu beanstanden ist. Das gleiche gilt für die Nebenkosten. Diese liegen im Rahmen der BVSK-Honorarbefragung 2013 und erst recht in dem der VKS/BVK-Honorarumfrage 2012/13.

Die Honorarumfragen stammen aus den Jahren 2012 und 2013, während sich der Unfall im Jahr 2014 ereignete.An diesem Ergebnis ändert auch die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des BGH aus dem Urteil vom 22.7.2014 – VI ZR 357/13 – nichts. Zwar hat der BGH die Auffassung des LG Saarbrücken, wonach die BVSK-Honorarumfrage nicht geeignet sei, die anfallenden Nebenkosten verlässlich abzubilden, revisionsrechtlich nicht beanstandet, weil im Saargebiet uneinheitliche Preisansätze bei den Sachverständigen festzustellen seien. Das kann für den hiesigen Raum im Einzugsgebiet des AG Hattingen nicht angenommen werden. Abschließend kann noch auf den Hinweisbeschluss der Berufungskammer des LG Essen vom 3.8.2015 – 10 S 87/15 – hingewiesen werden.

In diesem Beschluss nimmt die Berufungskammer auf das Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (=BGH DS 2014, 90) Bezug. Danach genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenhöhe regelmäßig dadurch, dass er eine Rechnung des Sachverständigen vorlegt. Dabei bildet die tatsächliche Rechnungshöhe ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne des § 249 II 1 BGB bei der vom besonders freigestellten Tatrichter vorzunehmenden Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO. Entscheidend ist nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 11.2.2014 – VI ZR 225/13 – (BGH aaO.), ob der Geschädigte vor der Beauftragung des Sachverständigen hätte erkennen können, dass dieser überhöhte Nebenkosten geltend machen wird. Dafür spricht nichts im vorliegenden Fall.

Fazit und Praxishinweis: Mit diesem Urteil hat das erkennende Gericht die vom Kfz-Sachverständigen berechneten Kosten, sowohl Grundhonorar als auch Nebenkosten, der Schadenshöhenschätzung nach § 287 ZPO unterworfen. Danach misst das Gericht die erforderlichen Sachverständigenkosten an der BVSK-Honorarbefragungund der VKS/BVK-Honorarumfrage. Dies ist durchaus zulässig, da der BGH bereits entschieden hat, dass der besonders freigestellte Tatrichter auch Listen und Tabellen verwenden darf (vgl. BGH ZfS 2011, 441). Hier hat das Gericht bei der Schätzung beide Tabellen zugrunde gelegt und sogar hilfsweise ein arithmetisches Mittel gewählt. Auch insoweit ist der Tatrichter besonders freigestellt.
Quellen
    • Foto: Martina Berg - Fotolia.com