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AG Völklingen misst Sachverständigennebenkosten am JVEG
AG Völklingen Urteil vom 12.8.2015 – 16 C 86/15 –

RFWW

Nach einem unverschuldeten Verkehrsunfall in Völklingen (Saar) beauftragte der Geschädigte einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Die hinter dem Schädiger stehende Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte - trotz voller Haftung – die Sachverständigenkosten nur zum Teil.
Die Nebenkosten wurden nur mit 100,-- € zuzüglich Umsatzsteuer erstattet. Der Geschädigte klagte den nicht erstatteten Restbetrag bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Völklingen ein. Die Klage blieb ohne Erfolg.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherunghat vorgerichtlich auf den dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf Ersatz der Nebenkosten des Gutachtens aus §§ 7 I, 17 I und II, 18 I StVG, 249 BGB einen Betrag von 119,--€ gezahlt. Mehr kann der Kläger nicht verlangen. Der Geschädigte kann nämlich nur die Kosten ersetzt verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zweckmäßig und notwendig erscheinen (vgl. BGH VersR 2014, 1141). Dabei bildet der Aufwand, den der Geschädigte tatsächlich betrieben hat, ein wichtiges Indiz, jedoch nur dann, wenn sie nicht erkennbar den üblichen Preis überschreiten. Ist das der Fall, ist der erstattungsfähige Aufwand nach § 287 ZPO zu schätzen, wobei der tatsächlich angefallene Aufwand zu berücksichtigen ist (vgl. BGH aaO.). Das erkennende Gericht misst die Nebenkosten in der Rechnung des Sachverständigen nach dem JVEG. Für die Fotokosten waren nur die Kosten des ersten Fotosatzes mit 33,93 € zzgl. MwSt. vollständig, die für den weiteren Satz in Höhe von 7,80 € zzgl. MwSt. berechtigt. Während die Kosten des ersten Satzes nicht deutlich überhöht waren, trifft das auf die für den zweiten Satz zu.

Für den Druck mit Schreibkosten konnten entsprechend nur 14,-- € zzgl. MwSt., für die Kopien 5,-- € zzgl. MwSt. und Versand, Porto und Telefon 15,-- € zzgl. MwSt. verlangt werden. Ob ein Posten in der Nebenkostenabrechnung nämlich deutlich überhöht ist, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des Landgerichts Saarbrücken nicht Tabellen von Verbänden. Auch lassen sich keine für den regionalen Markt gültigen Durchschnittswerte von Nebenkosten ermitteln, die für den Geschädigten als verlässlicher Anhaltspunkt dienen könnten (LG Saarbrücken, Urteil vom 19. Dezember 2014 – 13 S 41/13, sowie vom 29. Juli 2013 – 13 S 41/13).

Maßstab für die Überhöhung ist vielmehr zunächst die eigene Einschätzung des Geschädigten, soweit er mit dem Gutachter eine konkrete Vergütungsvereinbarung getroffen hat. Hierbei hat er jedoch im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Plausibilitätskontrolle durchzuführen. Daneben besteht mit dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) eine Orientierungshilfe. Danach sind zwar die Kosten des ersten Fotosatzes mit 2,61 € pro Bild höher als nach den Regelungen des JVEG, das pro Bild 2,40 € vorsieht. Sie sind jedoch nicht deutlich überhöht, da sie weniger als 20 % über den Werten des JVEG liegen. Anders ist es jedoch bei den Kosten für den Druck mit Schreibkosten (3,28 € im Vergleich zu 1,40 € pro Blatt), den Kopierkosten (2,18 € gegenüber 0,50 € pro Blatt) und den Kosten für den zweiten Fotosatz (2,05 € gegenüber 0,60 € pro Foto, jeweils zzgl. MwSt.). Sie sind überhöht. Hier sind die erstattungsfähigen Kosten nach den Vorgaben des JVEG mit 1,40 € und 0,50 € pro Blatt und 0,60 € pro Foto zu schätzen.

Fazit und Praxishinweis: Das Urteil des Richters der 16. Zivilabteilung des AG Völklingen verstößt eklatant gegen die Rechtsprechung des Saarländischen OLG und des BGH. Der BGH hatte bereits in der Grundsatzentscheidung vom 23.1.2007- VI ZR 67/06 – (=BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 mit zust. Anm. Wortmann) erkannt, dass die von der Berufungskammer des LG Frankfurt / Oder vorgenommene Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung gerichtlicher Sachverständiger auf Privatgutachter nicht angebracht ist. Das gilt für das Grundhonorar als auch für die Nebenkosten. Der Anwendungsbereich des JVEG ist auf die in § 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Einer Übertragung auf Privatgutachter steht schon der Umstand entgegen, dass Privatgutachter im Unterschied zu gerichtlich bestellten Sachverständigen, die zu den Parteien des Rechtsstreits nicht in einem Vertragsverhältnis stehen, dem Auftraggeber nach allgemeinen Regeln sowohl vertragsrechtlich als auch deliktsrechtlich haften, während die Haftung gerichtlich bestellter Sachverständiger der Sonderregelung des § 839a BGB unterliegt.

Danach ist die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt, damit der gerichtlich bestellte Sachverständige, der nach den Verfahrensregelungen der ZPO und der stopp regelmäßig zur Übernahme der Begutachtung verpflichtet ist, seine Gutachtertätigkeit ohne den Druck eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben kann. Schon von daher verbietet sich eine Übertragung der Grundsätze des JVEG auf Privatgutachter. Gleichwohl hat die Berufungskammer des LG Saarbrücken eine Übertragung des JVEG zumindest auf die Nebenkosten angenommen. Aber auch diese als Mindermeinung zu bezeichnende Ansicht ist irrig, denn der BGH hatte sowohl bei dem Grundhonorar als auch bei den Nebenkosten eine Übertragung des JVEG abgelehnt. Die Rechtsprechung des LG Saarbrücken, auf die sich der Amtsrichter des AG Völklingen bezieht,widerspricht daher der BGH-Rechtsprechung. Auch das OLG Saarbrücken verneint eine JVEG-basierte Überprüfung. Daher kann das vorstehende Urteil nur kritisch gesehen werden.
Quellen
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