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Im Jahre 2013 befuhr die spätere Klägerin mit ihrem Fahrrad einen als Geh- und Radweg ausgewiesenen Weg auf dem Gelände der stillgelegten Zeche Zollverein in Essen-Katernberg. Die Zeche und die anschließende Kokerei wurden als Weltkulturerbe der UNESCO anerkannt.
Um den ursprünglichen Zustand des Industriegeländes noch erkennen zu können, wurde der Radweg auf den ursprünglichen Bahngleisen der Zeche und Kokerei in der Weise angelegt, dass zwischen den Schienen Asphalt aufgebracht wurde. An Stellen, an denen die Schienen die Straßen überquerten, ist der damalige Zustand erhalten geblieben. Das bedeutet, dass die Schienen in Beton verlegt waren und zwischen Schienen und Beton loses Erdreich eingefüllt war.

Beim Überqueren der Kreuzung geriet die Klägerin mit ihrem Rad in die Rille zwischen Beton und Schiene und stürzte. Sie erlitt eine Kopfverletzung und zog sich ein schweres Schädelhirntrauma zu, das operativ behandelt werden musste. Die Klägerin klagte vor dem örtlich zuständigen Landgericht Essen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Das Landgericht Essen wies die Klage ab. Die dagegen gerichtete Berufung hat keinen Erfolg.

Die Berufung gegen das angefochtene Urteil der Zivilkammer des LG Essen hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat beabsichtigt daher, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen. Das Landgericht Essen ist aus zutreffenden Gründen davon ausgegangen, dass auf der Grundlage des klägerischen Sachvortrages keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH, der sich der Senat anschließt, ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren (BGH NJW 2007, 1683, 1684).

Zu berücksichtigen ist, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, gewissenhafter und vorsichtiger Angehöriger der betroffenenVerkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die zumutbar sind (vgl. BGH NJW 2007, 1683 f.; BGH NJW 2008, 3778). Kommt es in Fällen, in denen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, aber ausnahmsweise doch zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen (BGH NJW 2007, 1683f.). Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht Essen davon ausgegangen ist, dass die Geschädigte ihren Schaden selbst tragen muss.

Die von der Klägerin in der Berufungsinstanz vorgebrachten Einwendungen und Argumente führen im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Schienen waren an der Unfallstelle deutlich erkennbar. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, Warnschilder aufzustellen, denn die Gefahrenstelle war von weitem erkennbar. Daran ändert auch nichts, dass die Schienen an anderen Stellen auf dem Gelände der Zeche Zollverein mit Asphalt verfüllt worden sind. Bei der Reche Tollverein und der Kokerei handelt es sich um ein Industriemuseum, das sogar den Status eines Kulturerbes besitzt. Dem Besucher soll ein möglichst originalgetreuer Zustand nahe gebracht werden. Dabei musste die Klägerin auf die sich aus dem Charakter des Industriedenkmals ergebenden Besonderheiten der Vielzahl der Rangiergleise Rücksicht nehmen und durfte sich auf dem Industriegelände nicht ohne eine gewisse Vorsicht bewegen (vgl. auch OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 01782).

Fazit und Praxishinweis: Kein Verkehrsteilnehmer kann davon ausgehen, dass er vor allen nur denkbaren Gefahren gewarnt wird. Ein allgemeines Verbot, andere zu gefährden, gibt es nicht. Ebenso wenig existiert eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht, die vor allen denkbaren Gefahren warnt. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Ereignisse Vorsorge getroffen werden. Jeder Verkehrsteilnehmer muss auch selbst darauf achten, dass er nicht selbst Schaden erleidet.
Quellen
    • Foto: Norbert Dörnbach - Fotolia.com