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AG Pirmasens urteilt zum Restwert und zu Sachverständigenkosten
AG Pirmasens Urteil vom 28.10.2014 – 2 C 111/14 –

RFWW

Im März 2014 ereignete sich in Pirmasens auf der Zweibrücker Straße ein Verkehrsunfall, der durch den Fahrer des bei der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung versicherten Fahrzeugs verursacht wurde. Die hinter dem Fahrer stehende Haftpflichtversicherung hat die einhundertprozentige Eintrittspflicht anerkannt.
Nach dem Unfall beauftragte der Geschädigte ein Kfz-Schadensgutachten bei dem Kfz-Sachverständigen W. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass der Wiederbeschaffungswert einschließlich Mehrwertsteuer 10.400,-- € und der Restwert einschließlich MwSt. mit 3.720,-- € anzusetzen sei. Seine Kosten berechnete er mit 1.255,57 €.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte auf die Gutachterkosten nur 1.076,30 € und auf den Fahrzeugschaden nur 3.947,34 €. Die eintrittspflichtige Kfz-Versicherung holte ein Restwertgebot von 6.199,-- € ein und übermittelte dies dem Geschädigten. Der Geschädigte macht die Differenz bei dem Fahrzeugschaden, insbesondere den restlichen Restwertbetrag laut Gutachten und die restlichenSachverständigenkosten geltend. Das Gericht hat Beweis erhoben.

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat ein Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes in Höhe von 2.911,93 € gemäß §§ 7 I, 18 I StVG, § 115 I Nr. 1 VVG.

1. Zum restlichen Restwert :

Der Kläger hat ein Anspruch auf Zahlung restlichen Schadensersatzes in Höhe von 2.732,66 € gemäß §§ 7, 18 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Der Geschädigte genügt im Veräußerungsfall im allgemeinem dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und seiner Darlegungs- und Beweislast und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er die Veräußerung eines beschädigten Kraftfahrzeugs zu demjenigen Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. BGH ZfS 2010, 84). Denn das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen bildet in aller Regel eine geeignete Grundlage für die Bemessung des Restwertes, so dass der Geschädigte den so ermittelten Restwertbetrag grundsätzlich seiner Schadensberechnung zu Grunde legen darf.

Der Schädiger kann den Geschädigten deshalb insbesondere nicht auf einen höheren Restwerterlös verweisen, den dieser auf einem Sondermarkt durch spezialisierte Restwertaufkäufererzielen kann. Der Geschädigte muss sich jedoch einen höheren Erlös anrechnen lassen, den er bei tatsächlicher Inanspruchnahme eines solchen Sondermarktes ohne besondere Anstrengungen erzielt hätte (vgl. BGH VersR 2005, 381). Es gilt deshalbder Grundsatz, dass der von einem Sachverständigen ermittelte Restwert eine geeignete Grundlage für die Schadensabrechnung bildet, nur in aller Regel. Desgleichen können auch Ausnahmen von dem Grundsatz, dass der Geschädigte nicht auf spezialisierte Restwertaufkäufer verweisen zu lassen brauche, nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Doch müssen derartige Ausnahmen, deren Voraussetzung zur Beweislast des Schädigers stehen, in engen Grenzen gehalten werden, weil anderenfalls die dem Geschädigten nach § 249 S. 2 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen würde.

Nach dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes ist der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens. Diese Stellung darf ihm durch eine zu weite Ausnahmehandhabung nicht genommen werden. Insbesondere dürfen ihm bei der Schadensbehebung die von der Versicherung gewünschten Verwertungsmodalitäten nicht aufgezwungen werden (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.1999 – VI ZR 219/98). Der bloße Hinweis auf eine preisgünstigere Möglichkeit der Verwertung, um deren Realisierung sich der Geschädigte erst noch bemühen muss, genügt indessen nicht, um seine Obliegenheiten zur Schadensminderung auszulösen. Nach diesen Grundsätzen muss sich der Geschädigte nicht auf das Restwertgebot der Versicherung, das diese auf dem Sondermarkt der Internetrestwertaufkäufer erzielen konnte, einlassen.

2. Zu den restlichen Sachverständigenkosten:

Der Kläger hat weiterhin einen Anspruch auf Zahlung der restlichen Sachverständigenkosten in Höhe von 179,27 €. Die Kosten eines Sachverständigengutachtens gehören zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen, soweit die Begutachtung zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruches erforderlich und zweckmäßig ist (vgl. BGH DS 2007, 144 mit Hinweis auf BGH Urteil vom 30.11.2004 – VI ZR 365/03 - ; LG Kaiserslautern, Urteil vom 14.06.2013 - 3 O 837/12 -). Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständig und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte (vgl. BGH aaO.).

Der Geschädigte ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Dabei ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Marktes verpflichtet, um einen für den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen, wobei für ihn allerdings das Risiko verbleibt dass er ohne nähere Erkundigungen ein Sachverständigen beauftragt, des späteren Prozess als zu teuer erweist (vgl. BGH NJW 2007, 1450).

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtungrelevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90 und BGH Urteil vom 15. 10. 2013 – VI ZR 471/12 - . Im konkreten Fall sind nach diesen Grundsätzen die vom Sachverständigen W. berechneten Kosten nicht zu beanstanden. Der Geschädigte konnte sie als erforderliche Wiederherstellungskosten ansehen.

Fazit und Praxishinweis: Zu Recht hat das erkennende Gericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Der Geschädigte hat nämlich grundsätzlich Anspruch auf die in dem Schadensgutachten aufgeführten Restwerte, die der von ihm beauftragte Gutachter auf dem regionalen, allgemeinen Markt ermittelt hat. Der Geschädigte muss sich nicht unbedingt auf den Sondermarkt der Internetrestwertbörse verweisen lassen. Zu Recht hat das Gericht auch die restlichen Sachverständigenkosten zugesprochen. Denn die Kosten des Schadensgutachtens sind ein mit dem Schaden unmittelbar verbundener und gemäß § 249 I BGB auszugleichender Vermögensnachteil, soweit die Begutachtung erforderlich und zweckmäßig erscheint. Sie sind aber auch nach § 249 II 1 BGB auszugeichender, erforderlicher Herstellungsaufwand, wenn die Begutachtung zur tatsächlichen Durchführung der Wiederherstellung erforderlich und zweckmäßig ist. Dies war im konkreten Fall bei einem Schadensbetrag von 10.400,-- gewiss gegeben. Der Sachverständige war auch berechtigt, sein Honorar in Relation zu dem Wiederherstellungsaufwand zu berechnen (vgl. BGH VersR 2006, 1131; BGH DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann).
Quellen
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