Horex VR6: Wiederbelebung im zweiten AnlaufAuf der IAA feierte die legendäre Motorradmarke ihr Comeback
Auf einem kleinen IAA-Stand auf dem Freigelände außerhalb der Messehallen war die neue Horex VR6 hinter einer Glaswand zu sehen, in klassisch edler Optik. Noch im Herbst soll das erste von 33 streng limitierten Exemplaren der Sonderserie "Silver Edition" angeboten werden. Einen Preis wollte der Hersteller gegenüber dem Kraftfahrtberichter noch nicht nennen. Unter der Hand ist von mehr als 30.000 Euro die Rede. Im kommenden Frühjahr soll dann das günstigere Serienmodell folgen, bei dem mit deutlich mehr als 20.000 Euro zu rechnen ist. Das ist viel Geld für ein Zweirad. Doch dafür bekommt der Käufer Technik vom Feinsten.
Das verspricht zumindest der neue Inhaber der Markenrechte, die 3C-Carbon-Gruppe aus Landsberg am Lech. Das Unternehmen ist nicht nur ein renommierter Zulieferer von Kohlefaserverbundteilen für die Auto- und die Flugzeugindustrie, den Maschinenbau sowie die Luft- und Raumfahrt, es macht sich auch seit einigen Jahren einen Namen im Motorrad-rennsport und war 2014 Sieger der deutschen Superbike-Serie. Erst im Januar 2015 übernahmen die Carbon- Experten Horex, um den zweiten Versuch der Wiederbelebung zu starten.
Ein technischer Paukenschlag
Den ersten Versuch unternahm der Ingenieur Clemens Neese mit der Vorstellung einer neuen Horex mit VR6-Motor im Jahr 2010 (siehe Kb 2821/22 vom 21.6.2010, Seite 19), die Maschine kam dann aber erst 2013 auf den Markt. Der Antrieb war eine Sensation. Das VR-Aggregat vereinigt die Eigenschaften eines V-Triebwerks mit denen eines Reihenmotors und zeichnet sich durch eine besonders kompakte Bauweise aus. Die Zylinder befinden sich in einem Block mitV-Stellung im spitzen Winkel. Der Zylinderabstand ist deutlich kleiner als beim Reihen- oderV-Motor, was eine besonders anspruchsvolle Kühlungstechnik erforderlich macht. Das Bauprinzip wurde bereits 1915 von Lancia erfunden. Große Serien wurden aber erstmals 1991 bei Volkswagen im Automobilbau gefertigt. Die Wolfsburger leisteten denn auch technische Hilfe bei der Entwicklung des Horex-Motors. Eine weitere Besonderheit war die Kraftübertragung per O-Ring-Kette, die das Eindringen von Schmutz in die beweglichen Kettenteile verhindert und eine Dauerschmierung ermöglicht.
Die Horex von Clemens Neese war zwar ein technischer Paukenschlag. Das 278 Kilogramm schwere Motorrad mit 161 PS bekam aber von den Testern der Fachzeitschriften eine gemischte Bewertung. Tenor: hervorragende Straßenlage, aber unharmonischer Motorlauf. Im Klartext: unausgereift. Schließlich zeigte sich, dass die erhoffte Käuferzahl nicht ausreichte und Neese sich verkalkuliert hatte. Im August 2014 musste er Konkurs anmelden. 20 Millionen Euro hatte er mit dem Horex-Projekt in den Sand gesetzt.
Nun also der Neustart unter dem Dach der 3C-Carbon-Gruppe. Die macht richtig Tempo und hat alles aufgewandt, um Neeses einstiges Projekt den Schliff für einen Markterfolg zu verpassen. 3C-Carbon-Geschäftsführer Karsten Jerschke erhofft sich vor allem wegen des Motors als Alleinstellungsmerkmal gute Chancen. Das zuvor noch störrisch und unrund laufende Aggregat wurde jetzt vom Entwicklerteam gebändigt, sagte Jerschke selbstbewusst. Dabei wurde die Leistung des 1.218 Kubikzentimeter großen Sechszylinders von 161 PS auf 170 PS gesteigert – bei einem maximalen Drehmoment von 138 Newtonmetern, das bei 7.000 U/min. anliegt.
Durch Verwendung von Carbonteilen wurde das Gewicht gründlich abgespeckt, fast um ein Fünftel. Nun bringt die Maschine nur noch 221 Kilogramm auf die Waage. Ein Lithium-Ionen-Akku tritt an die Stelle der konventionellen Blei-Säure-Batterie. Für gute Sicht sorgen Bi-LED-Hauptscheinwerfer. Von Brembo stammt die Vier-Kolben-Bremsanlage mit Doppelscheiben vorn. Neu sind auch Telegabel, Federbein, Zündanlage, Bordelektrik, Auspuff und die Instrumente.
Die ersten 33 Exemplare der Horex VR6 Silver Edition werden noch in Landsberg gefertigt. Doch Geschäftsführer Jerschke ist auf der Suche nach einem neuen Produktionsstandort für die Hauptserie. Zudem liegt noch die Aufgabe vor ihm, ein Vertriebsnetz aufzubauen.