OLG Düsseldorf urteilt zur Haftung bei Unfall eines wendenden FahrzeugsOLG Düsseldorf Urteil vom 27.10.2015 – I-1 U 46/15 –
Die Anwendung des Anscheinsbeweises fürein Verschulden setzt bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt und dadurch den Unfall verursacht hat. Dabei muss es sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist BGHZ 192, 84 ff Rn. 7). Wenn ein nachfolgendes Fahrzeug auf einen wendenden abbiegendes Fahrzeug auffährt, ist ein solcher Tatbestand nicht gegeben. Denn nach der Auffassungdes erkennenden Senats lässt die Lebenserfahrung in diesem Fall nicht typischerweise den Schluss auf eine Pflichtverletzung des wendenden Abbiegers zu.
Zwar ist dieser gehalten, den Abbiegevorgang, bzw. das Wendemanöver rechtzeitig und deutlich anzuzeigen. Er muss sich auf der Fahrbahn nach links einordnen und gegebenenfalls auch seine Geschwindigkeit behutsam verringern. Er muss auch den nachfolgendensowie den entgegenkommenden Verkehr beachten und gegebenenfalls das Wenden abbrechen. Aber auch der nachfolgende Verkehrsteilnehmer hat seine Sorgfaltspflichten, nämlich ausreichenden Sicherheitsabstand zu wahren. In der Anhörung der Parteien vor dem Landgericht Saarbrücken hatte die Fahrerin deswendenden Daewoo angegeben, dass der hinter ihr fahrende Lkw bereits dicht an ihrem Fahrzeug war, als sie beabsichtigte auf der Straße zu wenden. In diesem Fall hätte sie voraussehen können und müssen, dass es im Falle eines Wendemanövers zu einer Kollision kommen würde. In dieser Situation hätte sie das Wendemanöver unterlassen müssen. In diesem Fall ist hinsichtlich derVerschuldensanteile eine Abwägung vorzunehmen. Nach Ansicht des erkennenden Senates trägt im Rahmen des § 17 II StVG die Betriebsgefahr des wendenden Fahrzeugs 50 Prozent.
Fazit und Praxishinweis:
Fährt ein Fahrzeug des fließenden Verkehrs auf ein wendendes Fahrzeug auf, so spricht zunächst der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass er mit unangepasster Geschwindigkeit oder zu geringen Sicherheitsabstandes gefahren ist. Andererseits ist bei der Abwägung der gegenseitigen Verursachungsbeiträge die Betriebsgefahr des wendenden Fahrzeugs zu berücksichtigen. Diese wurde von dem OLG Düsseldorf mit 50 Prozent angenommen.