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OLG Hamm urteilt zu Radunfall unter Beteiligung eines Elfjährigen
OLG Hamm Urteil vom 16.9.2016 – 9 U 238/15 –

Rechtsassessor Friedrich-Wilhelm Wortmann

In Werne an der Lippe befuhr ein elfjähriger Junge mit seinem Fahrrad den Gehweg in entgegengesetzter Fahrtrichtung. Beim Überqueren einer Straße stieß er mit der von links kommenden späteren Klägerin aus Werne zusammen. Diese zog sich bei dem Zusammenstoß mit dem Fahrrad des Elfjährigen schwere Verletzungen im Bereich des rechten Kniegelenks sowie eine Sprunggelenksfraktur rechts zu. Sie musste mehrmals operiert werden und leidet noch heute unter den Folgen der Knieverletzung, die letzten Endes zu einer operativen Versteifung des rechten Knies führen wird. Die Haftpflichtversicherung des elfjährigen Radfahrers hat vorgerichtlich 14.000,-- € Schmerzensgeld und 2.000,-- € Haushaltsführungsschaden gezahlt.
Die Klägerin war damit nicht einverstanden und hat vor dem zuständigen Landgericht weiteren Schadensersatz eingeklagt. Das Landgericht hat eine alleinige Schuld des elfjährigen Jungen angenommen und diesen verurteilt neben dem bereits gezahlten Schmerzensgeld weitere 11.000,-- € sowie 1.900,-- € Erwerbsschaden und weiter 23.000,-- € Haushaltsführungsschaden zu zahlen. Für den künftigen Haushaltsführungsschaden hat das Landgericht der Klägerin eine vierteljährlich zu zahlende Rente von ca. 820,-- € zuerkannt. Mit der Berufung wollte der Beklagte eine vollständige Klageabweisung erzielen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.

Die Berufung ist zwar zulässig, aber in der Sache ohne Erfolg. Der beklagte elfjährige Radfahrer haftet dem Grunde nach allein für den Unfall. Er hat den Gehweg der im Grundsatz vorfahrtsberechtigten Straße verkehrswidrig in der falschen Richtung befahren. Aufgrund seines Alters ist er nicht mehr berechtigt gewesen, als Radfahrer den Gehweg zu benutzen. Er hätte vielmehr die Fahrbahn der Straße benutzen müssen. Aus diesem Grunde hatte er auch gegenüber der von links kommenden Klägerin mit ihrem Fahrrad keine Vorfahrt. Beim Überqueren der Straße mit dem Fahrrad hätte er auch auf den fließenden Verkehr auf der Fahrbahn achten müssen. Er hätte auch nicht mit seinem Fahrrad in der falschen Fahrtrichtung weiterfahren dürfen. Daher war seine Fahrweise höchstgefährlich für sich und andere Verkehrsteilnehmer gewesen. Der im Unfallzeitpunkt elfjährige Radfahrer ist für sein Fehlverhalten voll verantwortlich. Seinem Sachvortrag ist nicht zu entnehmen, dass er im Zeitpunkt des Unfalls nicht die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht nach § 828 III BGB gehabt hat. Nur wenn er das nachweisen kann, entfällt die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit. Das ist im vorliegenden Fall allerdings nicht gegeben. Der Klägerin ist kein Mitverschulden am Zustandekommen des Verkehrsunfalles vorzuwerfen. Das vom Landgericht ausgeurteilte Schmerzensgeld sowie die zugesprochenen Schadensbeträge sind gerechtfertigt, wodurch die Berufung unbegründet ist.

Fazit und Praxishinweis: Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. Wichtig an dieser Entscheidung des OLG Hamm ist jedoch, dass grob verkehrswidriges Verhalten im Straßenverkehr auch bei minderjährigen zu einer alleinigen Haftung führen kann. Dies gilt insbesondere für das Fahren mit einem Fahrrad auf dem Gehweg, wenn der Radfahrer älter als 11 Jahre ist. Das gilt weiterhin, wenn dann auch noch entgegen der Fahrtrichtung gefahren wird. Auch beim Überqueren der Fahrbahn ist auf den bevorrechtigten Straßenverkehr zu achten. Im vorliegenden Fall hat der elfjährige Radfahrer so viel falsch gemacht, dass er tatsächlich die alleine Schuld am Zustandekommen des Unfalls trägt. Inwieweit die zugesprochenen Geldbeträge angemessen sind, ist Tatfrage, die von Fall zu Fall auch unterschiedlich beurteilt werden kann.
Quellen
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