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Am 4.11.2013 wurde der Pkw des späteren Klägers von einem bei der HUK-COBURG allgemeine Versicherung AG versicherten Fahrzeug beschädigt. Die Schuld liegt eindeutig beim Versicherungsnehmer der HUK-COBURG. Nach dem Unfall ließ der Geschädigte ein Schadensgutachten fertigen. Die Gesamtkosten des Gutachtens beliefen sich auf 723,48 €. Die eintrittspflichtige HUK-COBURG regulierte unter Bezugnahme auf ihr Honorartableau 2012 nur 638,-- €. Der Differenzbetrag ist Gegenstand der Klage vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Geestland. Die Klage hatte Erfolg.
Der Kläger hat gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung (restlicher) Sachverständigenkosten in Höhe von 85,48 € gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, § 115 Abs. 1 VVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Bezüglich der Erstattungsfähigkeit von durch den Geschädigten geltend gemachten Sachverständigengebühren gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes folgendes: Ein Unfallgeschädigter kann einen Sachverständigen mit der Schätzung der Schadenshöhe an seinem durch den Unfall beschädigten Pkw beauftragen und vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten verlangen.

Als erforderlich sind dabei diejenigen Aufwendungen anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten machen würde. Bei der Prüfung, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, ist eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen, das heißt Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen. Auch bei der Beauftragung eines Kfz-Sachverständigen darf sich der Geschädigte damit begnügen, den ihm in seiner Lage ohne weiteren erreichbaren Sachverständigen vor Ort zu beauftragen. Er muss nicht zuvor eine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben.

Der Geschädigte genügt seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbeseitigung in Anspruch genommenen Sachverständigen. Die tatsächliche Rechnungshöhe bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung "erforderlichen" Betrags im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, schlagen sich in ihr doch die besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich der – vor dem Hintergrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung relevanten – beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder. Ein Indiz für die Erforderlichkeit bildet aber die Übereinstimmung des vom Geschädigten erbrachten Kostenaufwands mit der Rechnung und der ihr zugrundeliegenden getroffenen Preisvereinbarung, sofern diese nicht auch für den Geschädigten deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegt.

Wissensstand und Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten spielen mithin bereits bei der Prüfung der Erforderlichkeit des Schadensaufwandes gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eine maßgebende Rolle. Ein einfaches Bestreiten der Erforderlichkeit des ausgewiesenen Rechnungsbetrags zur Schadensbehebung reicht allerdings grundsätzlich nicht aus, um die geltend gemachte Schadenshöhe in Frage zu stellen. Anderes gilt, wenn sich aus den getroffenen Vereinbarungen Umstände ergeben, die der Rechnung die indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nehmen. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (vgl. BGH NJW 2007, 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann; BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90).

Diesen Anforderungen ist die Beklagte indes nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Dabei wendet sich die Beklagte letztlich einzig gegen die abgerechneten Nebenkosten und beanstandet diese gleichsam pauschal als völlig übersetzt. Vor diesem Hintergrund wird sodann unter Verweis auf ein "Honorartableau 2012-HUK-Coburg" ein angemessener Schätzmaßstab zugrunde gelegt und die Sachverständigenkosten auf 638,00 € gekürzt. Dabei ist das von der HUK-COBURG selbst gefertigte Honorartableau keine geeignete Schätzgrundlage.

Fazit und Praxishinweis:
Der Ansicht des erkennenden Gerichts ist beizupflichten. Das von der HUK-COBURG selbst gefertigte Honorartableau ist keine geeignete Grundlage, auf der die erforderlichen Sachverständigenkosten geschätzt werden können. Es ist dem deutschen Recht fern, dass der Schädiger selbst bestimmt, in welcher Höhe er Schadensersatz zu leisten bereit sei. Den Schadensersatzanspruch bestimmt immer noch der Geschädigte als Gläubiger der Schadensersatzforderung. Was erforderlich ist, ist aus der Sicht des Geschädigten im Zeitpunkt der Beauftragung zu bestimmen. Mittlerweile hat der BGH der Rechnung des Sachverständigen eine indizielle Bedeutung für die Erforderlichkeit der Höhe der berechneten Sachverständigenkosten beigemessen (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90).
Quellen
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