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Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz aus einem Unfallereignis, das der Versicherungsnehmer der HUK-COBURG schuldhaft verursacht hat. Der Geschädigte beauftragte nach dem Verkehrsunfall einen örtlichen Sachverständigen mit der Erstellung des Schadensgutachtens. Für die Erstellung des Gutachtens berechnete der Sachverständige einen Betrag von insgesamt 635,33 €. Darauf zahlte die HUK-COBURG lediglich 520,-- € unter Bezugnahme auf ihr Honorartableau. Der Differenzbetrag ist Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Amtsgericht Stade. Die Klage war erfolgreich.
Die Klage ist vollen Umfangs begründet. Der Kläger kann von der Beklagten gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 249 BGB restliche 115,33 € aus der Kostennote des Sachverständigen sowie aus § 291 BGB die zugesprochenen Zinsen verlangen. Die streitgegenständliche Kostenrechnung des Sachverständigen über insgesamt 635,33 € ist vollen Umfangs als Schaden des Geschädigten im Sinne des § 249 BGB ansetzbar. Da unstreitig von der Beklagten auf den Gesamtbetrag von 635,33 € lediglich 520,-- € gezahlt wurden, ist sie bezüglich der Differenz von 115,33 € ausgleichspflichtig. Die nicht ausgeglichene, geltend gemachte Differenz von 115,33 € steht dem Kläger als Schadenersatz zu, nämlich in vollem Umfang als erforderliche Rechtsverfolgungskosten i. S. des § 249 BGB, ohne dass sich die Klägerin ein Mitverschulden nach § 254 BGB anrechnen lassen müsste. Zwar hat die Beklagte auf ihr "Honorartableau" hingewiesen.

Das Schreiben der Beklagten mit dem Hinweis auf das Honorartableau entwickelt jedoch keine rechtlichen Konsequenzen. Es war nämlich nicht Pflicht des Klägers als Geschädigter gegenüber der Beklagten, sich mit dem Sachverständigen auf maximal die Beträge aus dem Honorartableau der Beklagten zu einigen. Konkrete Limitierungen zur Übernahme von Sachverständigenkosten kann die Beklagte nämlich nicht aussprechen. Im Gegenteil darf der Geschädigte im Rahmen des § 249 BGB grundsätzlich Sachverständigenkosten ersetzt verlangen, die für die Erstattung des Gutachtens anfallen – in voller Höhe der in Rechnung gestellten Kosten.

Es ist nun nach Auffassung des Gerichts nicht Sache des Geschädigten, mit dem Sachverständigen über ein bestimmtes Sachverständigenhonorar zu verhandeln, welches den Vorstellungen der Beklagten entspricht, soweit diese noch nicht einmal nachvollziehbar dargelegt hat, dass im Bereich des Wohnsitzes der Klägerin als Geschädigter überhaupt qualifizierte Sachverständige bereit sind, brauchbare Gutachten nach der Preisvorgabe der Beklagten zu erstellen. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte nach Auffassung des Gerichts unter Umständen eine entsprechende Verhandlungsdiskussion des Geschädigten mit dem Sachverständigen im Rahmen der Schadenminderungspflicht bestehen. Dass aber im Zeitpunkt der Beauftragung im Bereich des Wohnsitzes des Klägers überhaupt ein qualifizierter Sachverständiger Willens und in der Lage gewesen wäre, ein brauchbares Schadengutachten zu erstellen, trägt die Beklagte selbst nicht vor. Sicherlich ist es aber nicht Sache des Geschädigten, nachvollziehbar und nachprüfbar darzulegen, dass sie das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet hat.

Die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen des § 254 BGB liegt vollen Umfangs auf Beklagtenseite. Schon gar nicht ist es Aufgabe des Geschädigten, vor Beauftragungeines Gutachtens sich auf die Suche nach einem möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu begeben. Letztlich sei aber auch noch darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Gerichts ein Mitverschulden nach § 254 BGB in Betracht zu ziehen gewesen wäre, wenn der Kläger mit dem Sachverständigen ein Sachverständigenhonorar vereinbart hätte, welches in einem auffälligen Missverhältnis zu üblichen und angemessenen Honoraren gestanden hätte. Auch davon kann aber nicht ausgegangen werden, da die Beklagte nicht ansatzweise vorgetragen hat, wie bereits ausgeführt, dass im Bereich des Wohnsitzes der Beklagten bestimmte deutlich geringere Gebührensätze von qualifizierten Sachverständigen verlangt worden wären.

In diesem Zusammenhang wird durch das erkennende Gericht darauf hingewiesen, dass die Rechnung des Sachverständigen in Höhe von 635,33 € lediglich um 22,18 % von dem "Honorartableau" der Beklagten abweicht, was das Gericht noch nicht als unangemessen hoch oder unverhältnismäßig ansieht. Schließlich weist die Klägerseite zu Recht darauf hin, dass die Beklagte nicht rechtlos gestellt ist, da sie sich von der Geschädigten analog § 255 BGB deren Schadenersatzansprüche gegen den Sachverständigen abtreten lassen kann, sollte die Beklagte darauf bestehen, dass die vom Sachverständigenbüro verlangte Vergütung gemessen an § 632 BGB nicht angemessen und ortsüblich ist. Der Klage war stattzugeben.

Fazit und Praxishinweis:
Mit diesem Urteil hat wieder einmal ein Gericht darauf hingewiesen, dass das von der HUK-COBURG vielfach vorgelegte Honorartableau der HUK-COBURG kein Maßstab für die erforderlichen Sachverständigenkosten sein kann. Es ist dem deutschen Recht fremd, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer die Höhe des zu zahlenden Schadensersatzes bestimmt. Gläubiger des Schadensersatzanspruchs bleibt der Geschädigte. Der Schädiger ist Zahlungsverpflichteter. Gerade im Bereich der Sachverständigenkosten ist der Schädiger bei der Zahlung behaupteter überhöhter Beträge jedoch nicht rechtlos, weil er den Vorteilsausgleich suchen kann (vgl. Imhof/Wortmann DS 2011, 149 ff.).
Quellen
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