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Am 20. Dezember 2013 kam es im Amtsgerichtsbezirk Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen zu einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des späteren Klägers, ein VW T 4 TDI Multivan beschädigt wurde.
Zur Unfallzeit war das verunfallte Fahrzeug älter als drei Jahre. Das Fahrzeug war auch nicht ständig in einer VW-Fachwerkstatt gewartet und repariert worden. Nach dem Unfall holte der Geschädigte ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Kfz-Sachverständigen ein. Nach dem qualifizierten Gutachten betrugen die Reparaturkosten unter Berücksichtigung der Stundensätze der ortsansässigen VW-Fachwerkstatt netto 4.013,29 €.

Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung, deren Haftung unstreitig ist, zahlte lediglich 3.791,12 €. Sie verwies den Geschädigten auf eine freie Werkstatt im 22 Kilometer entfernten Lengerich. Den Restbetrag klagte der Geschädigte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht Ibbenbüren ein. Die Klage war erfolgreich.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 7, 17 Abs. 1, 2 StVG, 249 BGB, 115 I 1 Nr. 1 VVG. Der Kläger hat durch das vorgelegte Schadensgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen dargelegt, dass für die ordnungsgemäße Reparatur einschließlich Lackierung der Unfallschäden an seinem VW T4 TDI Multivan in einer ortsansässigen VW-Fachwerkstatt die im Gutachten aufgeführten Reparaturkosten erforderlich sind. Gemäß § 249 II 1 BGB kann der Kläger als Geschädigter von der beklagten Kfz- Haftpflichtversicherung an Stelle der Wiederherstellung des durch den Unfall beschädigten klägerischen VW T4 TDI Multivans auch den für die ordnungsgemäße Reparatur erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (BGHZ 155, 1).Dabei ist es zulässig, dass der Kläger seiner Schadensersatzforderung die Werte zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

Allerdings muss sich der Geschädigte, der mühelos auf eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturtätigkeit zurückgreifen kann, sich auf diese verweisen lassen muss. Dies setzt aber nicht nur voraus, dass diese andere Werkstatt eine technisch gleichwertige Reparatur zu günstigeren marktüblichen Preisen anbietet. Vielmehr muss für den Geschädigten auch zumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in der alternativ angebotenen Werkstatt in Anspruch zu nehmen, und dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Pkw des Klägers ist zwar bereits älter als drei Jahre, und der Kläger hat überdies nicht substantiiert dargelegt, dass er sein Fahrzeug in der zurückliegenden Zeit regelmäßig in einer VW-Fachwerkstatt warten und reparieren ließ. Der Verweis auf eine dem Geschädigten bislang nicht bekannte Werkstatt kann aber auch aus anderen Gründen unzumutbar sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie für den Geschädigten nicht völlig problemlos erreichbar ist. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte eine Werkstatt aus Lengerich benannt, die von dem Wohnort des Klägers ca. 22 km entfernt ist.

Wer in Ibbenbüren wohnt und sein Fahrzeug in einer Werkstatt in Lengerich reparieren lassen soll, müsste unzumutbare Beschwernisse auf sich nehmen. Dem steht auch nicht das seitens der Beklagten zitierte Urteil des BGH (in NJW 2010, 2118) entgegen. Es ist für ein Unfallopfer, dessen Pkw von einem Schädiger zerstört wurde, nicht zumutbar, sich von dem Schädiger eine Werkstatt in einer anderen Stadt benennen zu lassen, von dieser, ohne sie zu kennen und in Augenschein nehmen zu können, seinen Pkw abholen und später repariert wieder zurückbringen zu lassen. Dem Eigentümer eines verunfallten Pkws, der auf dessen Verkehrssicherheit und Werthaltigkeit nach einer Reparatur angewiesen ist, muss die Möglichkeit erhalten bleiben, sich eine an seinem Wohnort gelegenen Werkstatt seines Vertrauens, die er kennt oder zumindest völlig problemlos kennen lernen und überprüfen kann, zu wenden. Der Verweis auf eine relativ weit entfernt gelegene Werkstatt wird den Interessen des Geschädigten im Regelfall nicht gerecht; in den Fällen wie dem vorliegenden ist er jedenfalls nicht zumutbar.

Im Übrigen darf der Kläger berechtigterweise auf das Gutachten des öffentlichbestellten und vereidigten Sachverständigen vertrauen und die darin aufgelisteten Schadensbeträge einer ortsansässigen Werkstatt seinen Forderungen zugrunde legen. Hierbei berücksichtigt das Gericht auch den Umstand, dass die Schadensrestitution im Rahmen von § 249 BGB nicht auf die kostengünstigste Wiederherstellung der beschädigten Sache beschränkt werden darf. Die Schadensrestitution zielt nämlich vielmehr darauf ab, den Zustand herzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne Schadensereignis entspricht (vgl. porsche-Urteil des BGH v. 29.04.2003, BGH NJW 2003, 2085). Nach Zahlung der Beklagten auf die Nettoreparaturkosten von 4.013,29 € in Höhe von 3.791,12 €, verbleibt ein Anspruch des Klägers von noch zu zahlenden 222,17 €.

Fazit und Praxishinweis: Zutreffend hat das erkennende Amtsgericht Ibbenbüren eine Verweisung des Geschädigten auf eine dem Geschädigten bislang nicht bekannte Werkstatt im 22 km entfernten Lengerich abgelehnt. Gerade in ländlichen Gebieten ist es einem Geschädigten nicht zuzumuten, Werkstätten in anderen Städten, die in 22 Km Entfernung liegen, aufzusuchen, wenn eine VW-Fachwerkstatt am Wohnort des Geschädigten vorhanden ist. Die von der regulierungspflichtigen Kfz-Haftpflichtversicherung benannte Alternativwerkstatt war für den Geschädigten nicht mühelos und ohne weiteres zu erreichen.
Quellen
    • Foto: shockfactor - Fotolia.com