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Am 30.8.2014 ereignete sich in Rheine (Nordrhein-Westfalen) auf der Salzbergener Straße ein Verkehrsunfall, bei dem der Pkw der späteren Klägerin beschädigt wurde. Das Fahrzeug der Klägerin wurde zur Unfallzeit gelenkt von ihrem Ehemann.
Herbeigeführt hat den Unfall die Fahrerin des bei der beklagten Kfz-Versicherung haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Die alleinige Haftung der beklagten Fahrzeugführerin und ihrer Kfz-Haftpflichtversicherung ist unstreitig. Die Klägerin beauftragte den Sachverständigen H. aus Steinfurt mit der Schadensermittlung und zur Erstellung eines Prüfgutachtens aufgrund eines Prüfberichtes der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung. In dem Prüfbericht verwies die beklagte Versicherung die Klägerin auf die freie Werkstatt Gebr. P. GmbH.

Das Fahrzeug der Klägerin ist über 3 Jahre alt und wurde zuvor nicht stets in einer VW-Werkstatt gewartet und repariert. Der Sachverständige H. ermittelte Reparaturkosten in Höhe von netto 3.573,31 €. Seine Gutachterkosten berechnete er insgesamt mit 828,48 € ab. Die Beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung zahlte auf den Schaden der Klägerin an Reparaturkosten lediglich 2.483,85 €, auf die Unkostenpauschale nur 20,-- € und auf die Sachverständigenkosten 665,69 €. Die Differenzbeträge sind Gegenstand des Rechtsstreites vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht Rheine. Das Gericht hat Beweis erhoben und den Geschäftsführer der benannten freien Werkstatt als Zeugen gehört. Das erkennende Gericht gab der Klägerin zum größten Teil Recht.

Die zulässige Klage ist zum größten Teil begründet.

1. Zu den restlichen Reparaturkosten : Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung restlicher 968,46 € gemäß der §§ 18 I 1 StVG, 115 I 1 VVG, 1 PflVG. Vorliegend muss sich die Klägerin nicht auf eine andere Reparaturmöglichkeit zu einem Preis von 2.483,85 € verweisen lassen. Es sind grundsätzlich die von der Klägerin unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten in Ansatz gebrachten 3.573,31 € zu berücksichtigen.Zwar steht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die von der eintrittspflichten Versicherung genannte Werkstatt Gebr. P. GmbH eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit darstellt, jedoch ist diese Reparaturmöglichkeit nicht für Jedermann frei zugänglich. Der Klägerin ist insofern nicht zuzumuten, ihr Fahrzeug in dieser Werkstatt reparieren zu lassen. Unzumutbar ist eine Reparatur nämlich dann, wenn die freie Werkstatt nur deshalb kostengünstiger ist, weil der Reparatur nicht die marktüblichen Preise, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen (BGH NJW 2010, 2725). Andernfalls würde die dem Geschädigten nach § 249 II 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie einräumt und in davon befreit, die beschädigte Sache dem Schädiger oder seinem Haftpflichtversicherer zur Reparatur anvertrauen zu müssen. Nachdem das Gericht die Beweisaufnahme durchgeführt hat, steht zu dessen Überzeugung fest, dass zwischen der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung und der Firma Gebr. P. GmbH Sonderkonditionen vereinbart waren. Mithin muss sich die Klägerin nicht auf diese Werkstatt verweisen lassen.

2. Zu den restlichen Sachverständigenkosten: Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch einen Anspruch auf Erstattung bzw. Freistellung der restlichen Sachverständigenkosten. Dies gilt für die restlichen Kosten aus dem Ausgangsgutachten sowie auch für die Kosten des Überprüfungsgutachtens bezüglich der Überprüfung des von der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung vorgelegten Prüfberichtes. Die Klägerin kann von den Beklagten nach § 249 II 1 BGB als Herstellungsaufwand den Ersatz der objektiv erforderlichen Sachverständigenkosten beanspruchen (vgl. BGH NJW 1450 = DS 2007, 144 m. zust. Anm. Wortmann). Erforderlich sind die Sachverständigenkosten dann, wenn ein verständiger wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten diese Aufwendungen vornehmen würde (BGH NJW 1996, 958). Der Geschädigte ist allerdings unter dem Gesichtspunkt der Schadensgeringhaltung verpflichtet, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, wenn er die Höhe der Schadensbeseitigungskosten beeinflussen kann (BGH NJW 1992, 302; BGH DS 2007, 144). Insofern ist auch eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen. Es ist dabei Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnisse und Einflussmöglichkeiten sowie die gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (BGH NJW 1992, 305; BGH DS 2007, 144).

Der Geschädigte genügt insofern seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig dadurch, dass er die Sachverständigenkostenrechnung vorlegt. Diese bildet bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO dann ein wesentliches Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung erforderlichen Betrages (vgl. BGH NJW 2014, 1947 = DS 2014, 90). Vorliegend hat die Klägerin die Rechnung des Sachverständigen H. vorgelegt. Nur wenn der Geschädigte erkennen kann, dass der von ihm ausgewählte Sachverständige Honorarsätze für seine Tätigkeit verlangt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, gebietet das schadensrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot einen zur Verfügung stehenden günstigeren Sachverständigen zu beauftragen (BGH NJW 2014, 1947). Die Beklagten haben nicht substantiiert dargelegt, dass die Klägerin eine eklatante Überhöhung, wie von ihnen behauptet, erkennen konnte. Auch die Kosten für das Prüfgutachten sind ebenfalls zu ersetzen. Auch sie sind zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung hatte der Klägerin außergerichtlich entgegen gehalten, dass sich die tatsächlichen Reparaturkosten , anders als im Schadensgutachten angegeben, lediglich auf 2.483,85 € beliefen. Hierdurch haben die Beklagten die Klägerin veranlasst, dem Schadenssachverständigen den Prüfbericht zur Überprüfung vorzulegen. Das erschien zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich und zweckmäßig.

3. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Zahlung der restlichen Auslagenpauschale von 5,-- €. Das Gericht hält eine Kostenpauschale von 25,-- € für angemessen. Nach Abzug der gezahlten 20,-- € verbleibt daher noch ein Betrag von 5,-- €.

4. Allerdings hat die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der fiktiven Verbringungskosten . Die Verbringungskosten sind bei fiktiver Schadensabrechnung nicht erstattungsfähig (Palandt BGB-Komm. § 249 Rn.14).

[mark]Fazit und Praxishinweis:[/mark] Zu Recht hat das erkennende Gericht eine Verweisung der Klägerin auf die von der Beklagten benannte freie Werkstatt verneint, weil die Beweisaufnahme gezeigt hat, dass es sich um eine Partnerwerkstatt der beklagten Kfz-Haftpflichtversicherung handelt. Unzumutbar ist eine Reparatur in einer freien Werkstatt für den Geschädigten dann, wenn die freie Werkstatt nur deshalb kostengünstiger ist, weil der Reparatur nicht die marktüblichen Preise der Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen des Kfz-Haftpflichtversicherers mit der Werkstatt beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen, wie es im vorliegenden Rechtsstreit der Fall war. Die ebenfalls zu Recht zugesprochenen Sachverständigenkosten sind notwendige Kosten der Rechtsverfolgung und als solche von dem Schädiger aufgrund der schuldhaften unerlaubten Handlung aufgrund des Verkehrsunfalls zu ersetzen. Das gilt auch für die Kosten der sachverständigen Stellungnahme zu dem Prüfbericht der Versicherung. Zu Unrecht hat allerdings das Gericht die Erstattung der fiktiven Verbringungskosten verneint. Zwar hat der BGH zu diesem Thema noch keine Entscheidung getroffen. Für den Fall, dass eine fiktive Schadensabrechnung möglich ist, sind nach der BGH-Rechtsprechung allerdings die üblichen Preise einer Markenfachwerkstatt zugrunde zu legen. Dies gilt dann auch für UPE-Aufschläge und Verbringungskosten , falls diese üblicherweise bei einer dortigen Reparatur anfallen (vgl. BGH -VI ZR 320/12- ; Wellner; S. 131, 132 § 4 G).
Quellen
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