Diese Seite verwendet Cookies. Durch die Nutzung unserer Seite erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Weitere Informationen

Mehr Sicherheit durch eine vordere Bremsleuchte?
Eine alte Idee, neu entdeckt / Wissenschaftliche Studie belegt Nutzen speziell für die Sicherheit von Fußgängern / Noch viele offene Fragen

RobGal

Fußgänger haben im Straßenverkehr ein besonderes Problem: Sie können oftmals nicht erkennen, was der Fahrer eines sich nähernden Autos vorhat. Ist er schnell oder langsam? Nimmt er Fahrt auf, oder bremst er ab?
Handzeichen, mit denen dem Fußgängern Signale gegeben werden, nützen oft nichts, denn sie können wegen der Spiegelungen auf dem Glas in den seltensten Fällen eindeutig erkannt werden. Die fehlende oder fehlerhafte Kommunikation zwischen Autofahrer und Fußgänger „ist zweifellos einer der Faktoren, welche die nach wie vor hohe Zahl der im Straßenverkehr verunglückten Fußgänger erklären kann“, betonen Tibor Petzoldt und Katja Schleinitz, Psychologen an der TU Chemnitz und Leiter von Arbeitsgruppen zum menschlichen Verhalten im Straßenverkehr, sowie Reiner Banse, Professor für Rechtspsychologie an der Universität Bonn. Ihrer Meinung nach wäre „eine an der Fahrzeugfront montierte Bremsleuchte, welche die Anhalteabsicht des Autofahrers nach vorn kommuniziert, eine sehr einfache Möglichkeit, Fußgänger in der Interaktion mit motorisierten Fahrzeugen zu unterstützen“.

Zwar hat sich die Sicherheit der Fußgänger in den vergangenen vierzig Jahren „massiv“ verbessert, räumen die Wissenschaftler ein. Immerhin hat sich die Anzahl der im Straßenverkehr verunglückten Fußgänger von 1980 bis heute halbiert, die der getöteten ist sogar auf ein Siebtel gesunken. Jedoch hat die Entwicklung in den letzten Jahren zu stagnieren angefangen, es gibt keine nennenswerten Verbesserungen auf diesem Gebiet mehr. Zwischen 2012 und 2015 rangiert die Zahl der tödlich verunglückten Fußgänger nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zwischen 520 und 560, die der Verletzten zwischen 30.600 und 31.300.

Untersuchungen der Versicherer zeigen, dass Autofahrer einen deutlichen Anteil an den Fußgängerunfällen haben, vor allem durch „falsches Verhalten an Fußgängerüberwegen sowie das Nichtbeachten von Fußgängern, die beim Einbiegen in eine Straße Vortritt haben“. Dabei handeln die Autofahrer meistens nicht vorsätzlich, vielmehr haben sie den Fußgänger oft schlicht übersehen. Eine schummrige Straßenbeleuchtung, dunkel gekleidete Fußgänger oder ein durch die Bauart des Fahrzeugs eingeschränkte Sicht „spielen zweifellos ebenfalls eine Rolle“, bemerken die Wissenschaftler.

Um Autofahrern die Identifikation der Fußgänger zu erleichtern, wird immer wieder versucht, Maßnahmen auf Seiten der Fahrzeuge wie auch bei der Infrastruktur zu entwickeln. Gleichzeitig sollten auch Fußgänger unterstützt werden, denn „oft bleibt den Fußgänger nichts anderes übrig, als auf eine deutlich erkennbare Geschwindigkeitsreduktion zu warten, um sicher sein zu können, dass eine Überquerung der Straße gefahrlos möglich ist“, stellen Petzoldt, Schleinitz und Banse fest.

Eine Idee aus den 1920er Jahren

Für die drei Wissenschaftler war es daher naheliegend, dass den Fußgängern „bei der Erkennung der Geschwindigkeitsreduktion“ geholfen werden muss. Dafür griffen sie eine Idee auf, die bereits in den 1920er Jahren patentiert wurde: die vordere Bremsleuchte. Aus dem politisch problematischen Jahr 1938 existiert ein Patent, bei dem eine klassische Bremsleuchte am Pkw nur den rückwärtigen Verkehr warnen sollte, für vorn wurden damals zwei, eine gelbe und eine grüne Leuchte, die mit dem Gas- respektive Bremspedal gekoppelt waren, vorgeschlagen. Betont wurde seinerzeit, dass sowohl Fußgänger als auch motorisierte Verkehrsteilnehmer von einer derartigen Unterstützung profitieren könnten. Auch aus jüngerer Zeit lassen sich „eine Vielzahl an Patenten finden, die die potentiellen Effekte einer vorderen Bremsleuchte anpreisen“, haben die Wissenschaftler herausgefunden.

Doch zum Erstaunen von Petzoldt, Schleinitz und Banse gibt es keine eingehenden Untersuchungen zu dieser zusätzlichen Bremsleuchte. „Nach unserem besten Wissen findet sich lediglich eine einzige, 46 Jahre alte akademische Arbeit von 1971, die sich explizit mit der Idee einer solchen Bremsleuchte auseinandersetzt“. Die Testpersonen betonten damals den positiven Effekt der Bremsleuchte bei der Kommunikation mit Fußgängern wie auch mit anderen Autofahrern, vor allem in der Nacht. Autofahrer, die mit einer solchen Leuchte an der Front ihrer Autos unterwegs waren, nutzten sie ganz bewusst.

Die Tests haben die Chemnitzer Wissenschaftler nun nachgeholt. In einer Studie mit 31 Studenten stellten sie die Reaktionen von Fußgängern auf Fahrzeuge mit einer an der Front angebrachten grünen Bremsleuchte Autos ohne ein solches Licht gegenüber. „Ganz offensichtlich“, so die Forscher über das Ergebnis, „erleichterte die Bremsleuchte das Erkennen der Bremsung erheblich.“ Die Mehrheit der Probanden bewertete die zusätzliche Bremsleuchte als „nützlich für die Verkehrssicherheit“.

Bemerkenswert fanden die Wissenschaftler das Ausmaß der Verbesserungen, wenn ein Fahrzeug aus hoher Geschwindigkeit nur wenig abbremst. Bei den Autos ohne vorderer Bremsleuchte wurde die Verzögerung erst 1,5 Sekunden später von den Fußgängern erkannt als bei den Fahrzeugen mit Leuchte. Es lasse sich davon ausgehen, fassen die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse zusammen, „dass sich eine vordere Bremsleuchte bei hinreichender Marktdurchdringung positiv auf die Verkehrssicherheit auswirken kann.“

Viele Fragen sind aber noch offen. So weiß man nicht, wie Verkehrsteilnehmer, die das System nicht kennen, auf das Aufleuchten einer vorderen Bremsleuchte reagieren. Ebenso ist unklar, ob das frühe Erkennen einer Bremsung nicht auch zu gefährlichen Missverständnissen führen kann, etwa wenn der Autofahrer nicht wirklich anhält. Zudem müssen Fragen nach Form, Farbe, Lichtintensität und Anbringungsort geklärt werden und ob ein zusätzliches farbiges Bremslicht in der mit bunten Werbetafeln eh schon übermäßig beleuchteten Großstadt nicht zusätzlich noch für Verwirrung denn für Sicherheit sorgt.

Petzoldt, Schleinitz und Banse zeigen sich jedoch von der neuen alten Idee überzeugt: Vor dem Hintergrund der immer noch zu hohen Unfallzahlen erscheine es „in jedem Fall lohnenswert“, „das bereits belegte Potential der vorderen Bremsleuchte zu Erhöhung der Verkehrssicherheit in anwendungsnäheren Situationen genau zu untersuchen“.
Quellen
    • Text: Beate M. Glaser (Kb)
    • Foto: CrazyCloud – fotolia.com